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4 60 Psychische Studien. V. Jabrg. 10. Beft. (October 1878.)
sondern nur eine Trennung von dem dem Geist widersprechenden
Element des Leibes, also des Guten vom Bösen
und des Bösen vom Guten. So ist denn nicht ein blosser
Theil des Menschen unsterblich, sondern der ganze Mensch
seinem wahren Esse nach, der Tod eine rednctio ad essentiam.*)
Man mag das abgeschiedene Wesen, das weder bloss geistig
noch physisch ist, das dämonische (im Unterschiede von
dem rein Geistigen) nennen. Es ist als das Unsterbliche
im Menschen ein höchst-wirkliches Wesen und das, was die
Volkssprache einen Geist nennt. Wenn gesagt wird, es
sei einem Menschen ein Geist erschienen, so wird darunter
eben dieses höchst-wirkliche, essentificirte Wesen verstanden.
Der Gute wird aber über die Natur erhoben, der Böse
sinkt noch unter die Natur. Alle Schwäche kommi aus
der Getheiltheit des Gemüths. Wäre ein einziger Mensch,
in welchem sie ganz getilgt, der nur das Gute in sich hätte,
er könnte Berge versetzen.**) Daher Menschen, die es hier
schon zum Dämonischen bringen, etwas Unwiderstehliches
an sich haben. Der Geist, vom Zufälligen befreit, ist lauter
Leben und Kraft, das Böse noch viel böser, das Gute noch
viel guter. Das Besondere des inneren Zustandes der
Abgeschiedenen wird bekanntlich mit dem Schlaf verglichen.,
aber er ist vielmehr als ein schlafendes Wachen und ein
wachendes Schlafen zu denken, als Clairvoyance, wobei ein
unmittelbarer Verkehr mit den Gegenständen, nicht durch
Organe vermittelt, stattfindet. Auch für den Bösen wird
diess in gewisser Weise gelten, denn auch die Finsterniss
hat ihr Licht, wie das Seiende ein Nichtseiendes in sich hat.
Aber der höchste Gegensatz der Clairvoyance ist der
(vollendete) Wahnsinn, der Zustand der Hölle. Erinnerungskraft
wird sein, nur wird sie sich nicht auf alles Mögliche
erstrecken. Die Guten werden Vergessenheit alles Bösen
haben, alles Leids und aller Schmerzen, die Bösen dagegen
*) D. i. Zurückführung zum wahren Wesen.
**) Grenzen der Macht ernstlichsten, tief gläubigen Willens sind
wohl nicht in Abrede zu stellen, aber nicht bestimmbar, weil nicht
messbar. Es gibt ohne Zweifel Staunens würdige Willenswirkungen,
diejenigen aber, deren Jones Barton Stau in der Broschüre: „Der
Seelen - Telegraph" (5. Aufl., Naumburg, Fr. Regel) sich rühmt, entbehren
für uns aller nöthigen Beglaubigung. In London müsste man
über H. Stau sichere Auskunft ^eben können. A ./. Davis sagt (der Vorbote
der Gesundheit von Bester, h. 294), dass kein Intelligenter
Physiologe es wagen dürfe, die Grenzen der Domäne des Geistes
feststellen zu wollen, ohne Kenntniss der Seelenkunde, in welcher
(freilich) unsere besten medizinischen Gelehrten nicht sehr heimisch
seien. Unter den Philosophen verstand gerade der angebliche Willenslehrer
Schopenhauer wenig oder nichts von der positiven Macht des
Willens.
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