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506 Psychische Studien. V. Jahrg. 11. Heft. (November 1878t)
der von ihm erhaltenen denkwürdigen mediumistischen Manifestationen
Stadens gegen mögliehe Einwürfe seiner Gegner
gezogen hat Er sagt an der oben bezeichneten Stelle: —
„Endlich mag noch ein Umstand kurz berührt werden,
der sich nicht sowohl auf die moralischen und intellectueUen
Eigenschaften der unsichtbaren Geister, sondern der sichtbaren
Medien bezieht, deren Existenz jene Geister zu ihren
Manifestationen bedürfen. Man hat es als eine Charakter-
eigenthümlichkeit aller solcher Medien hingestellt, dass sie,
trotz der wunderbarsten Vorgänge in ihrer Nähe, dennoch
die Neigung besässen, zu betrügen, d. h. bei passender Gelegenheit
den gewünschten Effect durch solche Operationen
herbeizuführen, die sie mit Bewusstsein ihren Beobachtern
gegenüber zu verbergen suchen. Bei der grossen Gefahr
derartiger Versuche für das Medium und dem gänzlichen
Missverhältniss dessen, was durch einen ungeübten Taschenspieler
und durch ein wirkliches Medium bewirkt werden
kann, darf man sich die Frage vorlegen, ob unter solchen
Umständen bei gewissenhaft geprüften Medien nicht dieselbe
Erwägung eintreten muss, wie bei Personen, die an
der sogenannten Kleptomanie (Stehlsucht) leiden. Von
einer in den vornehmen Kreisen Berlin's wohl bekannten
und reich begüterten Dame wird behauptet, dass sie an
dieser Krankheit leide, Sie ist B» im Stande, aus dem
Laden eines Juweliers, bei dem sie grosse Einkäufe macht,
heimlich einen Schmuck zu entwenden, den sie, zu Hause
angelangt, sofort wieder durch ihren Bedienten dem Eigen-
thüiner zustellen lässt. Auch im Zustande der Schwangerschaft
soll bei Frauen zuweilen eine derartige Perversion
des moralischen Instinctes auftreten. In allen diesen Fällen
rechnet man diese Handlungen den betreffenden Personen
nicht moralisch an, weil der dadurch erreichte Zweck in
gänzlichem Missverhältniss zu den vorhandenen und ohne
Verletzung der Moral zur Verfügung stehenden Mitteln
sich befindet. Obschon ich niemals während meiner 30
Sitzungen und sonstigen Zusammenkünfte mit Hrn. Stade
etwas von einer solchen zweckwidrigen Handlungsweise
wahrgenommen habe, so frage ich doch jeden Unbefangenen,
ob, wenn diess von anderen Seiten der Fall gewesen sein
sollte, nicht auch hier, mit Berücksichtung der jedenfalls
anomalen physiologischen Constitution solcher Medien, die
obige, den Kleptomanen gegenüber moralisch und gesetzlich
zulässige, Auffassung zu rechtfertigen sei?" —
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