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Psychische Studien, V. Jahrg. 11. Heft. (November 1878.) 507
Schelling's Unsterblichkeitslehre,
Von Prof. Dr. Franz Hoffmann.
II.
(Sehluss von Seite 464.)
Schwerlich ist ein Versuch der Neuzeit im philosophischen
Dialog dem Vorbilde Piatoris, wenn auch nicht seinen
vollendetsten Leistungen, doch dem Mittelschlag derselben,
so nahe gekommen als Scheilings Gespräch über den Zusammenhang
der Natur mit der Geist erweit.*) Es ist aber
nicht möglich in der Kürze, die an diesem Orte geboten
ist, den Gesammtinhalt dieses Dialogs hier zu entfalten.
Wir müssen uns auf Vorführung der tiefen Hauptgedanken
beschränken in Erwartung, dass unsere Leser, so viele ihrer
zu tieferer Erkenntniss vorzudringen suchen, sich die Leetüre
einer der Form nach vollendetsten und dem Inhalte
nach tiefsinnigsten Entwürfe des genialen Philosophen nicht
versagen werden. Nachdem Schelting in einer Einleitung
zu erinnern nöthig fand, dass, nachdem die Philosophie sich
zu einer einseitigen Geistigkeit und Idealistik (vorzüglich
durch ./. ff. Fichte) verstiegen gehabt habe, es kein anderes
Herstellungsmittel der Philosophie gegeben habe, als sie
vorerst zur Erde zurückzurufen, was durch die (seine)
Naturphilosophie geschehen sei. Doch sei gleich anfangs
die Natur nur als die eine Seite des All erklärt und die
Geistarwelt als die andere ihr entgegengesetzt worden* Im
Gespräch selbst wird nun der Mensch als der "Wendepunkt
beider Welten angesehen. Die Natur sollte sich bis zum
Menschen erheben, um in ihm den Vereinigungspunkt beider
Welten zu finden. Hernach sollte durch den Menschen ein
unmittelbarer Uebergang der einen in die andere geschehen,
das Gewächs der äussern Welt ohne Unterbrechung fortwachsen
in die innere oder die Geisterwelt. Gott wollte
ein freies und lebendiges Band beider, der äusseren und
der inneren Welt, und das Wort dieser Verbindung trug
der Mensch in seinem Herzen. Von der Freiheit des Menschen
hing auch die Erhebung der ganzen Natur ab. Es
kam darauf an, dass er vergässe, was hinter ihm war, und
nach dem griff, was vor ihm war. Aber der Mensch verlangte
zurück in diese äussere Welt und verlor darüber
die himmlische, indem er nicht allein seinen eigenen Fortschritt
, sondern den der ganzen Natur aufhielt. Die Kräfte,
*) Schellintfs S. Werke I, 9, 3—110.
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