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510 Psychische Studien. V. Jahrg* 11. Heft. (November 1878.)
es selbst Licht wird, als stummer Träger des höheren
Lichts. Wenn nun jeder Mensch jenen dunklen Keim, der
etwas Physisches an sich hat, in sich trägt und dieser
Keim zwar einer fortgehenden Verwandlung, aber keiner
Zerstörung fähig ist, so muss, da er von der Natur kommt,
uns etwas Physisches auch im Tode folgen. Der uns folgende
Keim ist eben jenes geistige Wesen unserer Körperlichkeit,
der aus dem Körperlichen selbst sich zur Geistigkeit entwickelt
hat, aber immer die Beziehungen auf das Physische
behält. In der vollkommensten Einigung mit Gott im Jenseits
zerfliessen wir doch nicht in ihn, sondern bleiben unterschieden
von ihm in ihm. Die ganz und vollkommen Bösen
erwartet ein Zustand des äussersten Gegentheils. Wie aber
in diesem Leben unzählige Mittelstufen zwischen Gut und
Schlecht vorkommen, so wohl auch in jenem Leben zwischen
Seligkeit und Unseligkeit, und wunderbar mannichfaltig muss
es dort aussehen im unsichtbaren Reich, wenn der Spruch
wahr ist: dass einem Jeden vergolten wird, je nachdem er
gehandelt hat und gesinnt gewesen ist bei Leibesleben.
Wer aber möchte die Wunder jener Innenwelt wagen zu
ergründen und darzulegen? Jedenfalls müssen wir die obige
Behauptung, der Tod sei überhaupt eine Versetzung in's
Geistige, einigermaassen einschränken. Denn von der gegenwärtigen
Körperlichkeit eines Menschen aus bis zur Geistigkeit
mögen so viele Zwischenstufen sein, dass er im Sterben
wohl von ihm losgerissen werden könnte, ohne desshalb in's
Geistige überzugehen und die äussere körperliche Welt ganz
zu verlassen. Selbst jener, in welchem der gute Keim des
Portschreitens liegt, kann doch nur stufenweise vergeistigt
werden; dem aber, welcher schon hier von zurückschreitendem
oder bösem Willen beherrscht ward, wird, wenn er jetzt
durch Verlust des Leibes im Fall ist, gezwungen fortzugehen,
der lebhafteste Unwille erregt werden und ein heftiges Zurücksehnen
nach dem Leibe, besonders in jenem geistigkörperlichen
Wesen, das gewohnt war, alle Eindrücke von
untenher oder von dem Körper zu erhalten, nicht aber der
Seele untergeordnet zu sein und durch Einflüsse einer
höheren Welt geleitet zu werden. Dieses also wird auch
jetzt das Herrschende bleiben und gleichsam als ein Gewicht
an der Seele sie immerfort zurückzuziehen streben
in die Körperlichkeit. Auch kann es nicht unmöglich
scheinen, dass das von seinem irdischen Leib entbundene
Wesen mit grösserer Freiheit und auf ganz andere Art,
als wir, auf andere Dinge wirken und Veränderungen hervorbringen
könne, und vielleicht ist gerade der Schall, der
jenen Wesen so verwandt scheint, das am leichtesten auf
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