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Franz Hoffmann: Schelling's Unsterblichkeitslehre. 511
solche Art zu Entbindende. Es wäre auch denkbar', dass
Menschen, die im Tode fast ganz der äussern Natur anheimfallen
, eine Art von Schlaf festhält, worin sie von einem
traumartigen Ideensturm umgetrieben werden. Wenn überhaupt
die Imagination das "Werkzeug ist, mit welchem am
allermeisten gesündigt wird, sollte es nicht eben diese auch
sein, durch welche am meisten gestraft wird, und die Qualen,
welche die Sündhaften in der andern Welt erwarten, vorzüglich
in Qualen der Phantasie bestehen, deren Gegenstand
besonders die ehemalige Körperwelt wäre? Nur wenige
gehen hinüber, so rein und befreit von aller Liebe zu dem
Irdischen, dass sie sogleich losgesprochen werden können
und in den obersten Ort gelangen. Selbst die aber, bei
welchen nie ein böser Wille einwurzelte oder der Keim des
Guten zwar gehemmt, aber doch nie versehrt oder ganz
vernichtet worden, gehen mit noch so viel Eitelkeit, Einbildung
und anderem Unlauteren beschwert hinüber, dass
sie unmöglich gleich zur Gemeinschaft der Heiligen, vollkommen
Seligen und Gesunden gelangen können, sondern
erst durch gar viele, die einen durch mehr, die andern
durch weniger Läuterungen hindurchgehen und eine kürzere
oder längere Zeit, je nachdem sie geartet sind, auf diesem
Wege zubringen müssen. Und gewiss nicht ohne Schmerzen
kann eine solche Reinigung vor sich gehen. *) Gar manches
(was Schelling näher vorführt) sollte uns glauben lassen,
dass in dem unsichtbaren Reich des Jenseits viele einzelne
Reiche und ganz verschiedenartige Welten sich befinden
könneL, deren Inwohner erst durch stufenweise Vergeistigung
in das eigentlich Uebersinnliche gelangen können.
Hindeutungen Schelling'$ auf Christi Sieg über die Macht
und das Reich des Todes schliessen sich diesen Betrachtungen
an. Die letzte Partie des Dialogs mit ihren vielen
Yermuthungen kann füglich hier unberücksichtigt bleiben.
Auch aus der Entwickeln ng der Unsterblichkeitslehre in
der 32. Vorlesung der Philosophie der Offenbarung**) können
wir nur einige Hauptmomente herausheben, indem es uns
zu weit führen würde, uns auf die Verknüpfung dieser
Lehre mit Schelling's Christologie einzulassen. Vor Allem
*) Vergl. über den Zweck des Schmerzes (seine bessernde Macht;
das Gedicht Owen MercdilWs, das A. J. Davis in seinem Werke: „Der Vorbote
der Gesundheit" (Merausg. von W. Besser b. 384) mittheilt, und
welches mit den Versen beginnt:
„ ... Es ist Absicht im Schmerz;
bonst war* er ja teuflisch; doch mir soll den Glauben
An des Vaters der Welten A Hiebe nichts rauben etc.
**) Schelling's Werke II, 4, 206—227.
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