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Dr. Gustav Bloede: Psychometrische Studien.
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„Satz ist richtig, nur zu schmeichelhaft, wie gesagt. — Ich
„will mich bestreben, so zu werden!"
Frau von Vay fügt sodann dem noch bei, dass sie eine
ganz ähnliche Gabe besitze, nämlich die, wenn sie Briefe
von ganz Unbekannten bekomme, „durchzufühlen, wie der
Mensch ist." Sie habe auf diese Weise einmal einen Jesuiten
entlarvt, der unter falschem Namen an sie geschrieben habe.
Nachdem sich der Leser mit der vorstehenden Probe
psychometrischer Characterschilderung bekannt gemacht hat,
sei es mir erlaubt, nur noch einige darauf bezügliche kurze
Bemerkungen hinzuzufügen. Es bedarf für den verständigen
Leser kaum der Versicherung, dass eine auf diesem Wege
erlangte Characterschilderung keinen Anspruch auf Unfehlbarkeit
macht und machen kann. Wie bei allen Kundgebungen
aus einer uns unsichtbaren, aber erwiesener Maassen
mit uns in anunterbrochener Wechselbeziehung stehenden
Welt, haben wir auch hier nicht zu vergessen, dass dieser
unser Verkehr mit einer übersinnlichen Welt ohne Ausnahme
an die Bedingung eines an die Leiblichkeit gebundenen
Werkzeuges, einer vermittelnden Kraft, eines
„Mediums" oder „Sensitiven" geknüpft ist und dass das
durch dieses Mittelglied uns zukommende Licht von auswärts
durch dessen körperliche oder seelische Organisation
mehr oder weniger abgebeugt und verändert wird. Für
den Beweis der Wahrheit und Wirklichkeit der Psycho-
metrie als einer spirituellen Begabung, einer Phase der
Mediumschaft, genügt es, meines Erachtens, vollkommen,
wei.n bei diesen Characterschilderungen die allgemeinen
Umrisse und Grundzüge der fraglichen geistigen Organisation
zutreffend gegeben werden, und wenn sich hervorstechende
Eigentümlichkeiten und besondere, dem gewöhnlichen Beobachter
entgehende Züge als richtig erweisen. Dafür, dass
sich in den hier mitgetheilten Proben mehrfache Belege
für die fast orakelhafte Auffindung solcher besonderen
Oharacterzüge vorfinden, ist namentlich durch die von mir
wörtlich mitgetheilten Bestätigungen der Baronin von Vay
ausser Zweifel gesetzt. Ferner darf bei Beurtheilung dieser
Oharacterbilder die Schwierigkeit der Wiedergabe der Eindrücke
des Psychometers durch die Sprache nicht ausser
Acht gelassen werden, sowie deren Auffassung und Fixirung
durch den Beobachter — ein weiteres Durchgangselement
— Rechnung zu tragen ist, wozu im vorliegenden Falle
noch die Uebersetzung der Niederschriften aus dem Englischen
in das Deutsche hinzukam, bei welcher sich die
Unmöglichkeit genauer Wiedergabe des oft überknappen und
prägnanten englischen Ausdrucks nur zu oft geltend machte.
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