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562 Psychische Studien. V. Jahrg. 12. Hefl. (Deceinber 1878.)
und malen sich dieselben ziemlich willkürlich aus, weil sie
dieselben niemals an Anderen wirklich zu beobachten Gelegenheit
hatten. Das giebt ihnen aber noch kein Recht,
über sie von vornherein den Stab zu brechen, bloss weil
gewisse Berichte ihnen unwahrscheinlich klingen mögen.
So leicht abzuschütteln sind diebt? Erscheinungen nicht, wie
Herr Binz z. B das Schlafwandeln mit einigen schön
klingenden Worten zu beseitigen sucht. Es ist nach dem
Berichterstatter schwerlich bloss ,eine ganz besondere Form
des Traumesdenn das Schlafwandeln ist etwas äusserlich
Wirkliches, objeetiv Vorsiehgehendes, der Traum aber etwas
rein Innerliches, Subjectives. Es sind daher leere Worte,
wenn er sagt: „Wir möchten das Schlafwandeln einen
aktiven Traum, im Gegensätze zu den passiven Träumern
nennen, von denen bisher die Kode war." Damit ist
das Wesen von Traum und Schlafwandeln weder getroffen
noch erschöpft, denn beide sind einfach nicht dasselbe, sondern
polare Gegensätze. Es ist einfach unwahr, dass der
Verfasser eine richtige Erklärung dafür giebt, wenn er sagt:
„manche Menschen schlafen mit dem grösseren Theile des
Gehirnes so fest und wachen gleichzeitig mit einigen erregten
Zellengruppen so energisch, dass die Traumvorstellung
im Stande ist, Bewegungsreflexe gewohnter, wenn auch
in ihrem Ziele mindestens unsinniger Art auszulösen", was
der Berichterstatter dahin deutet: „d. h. der Schlafwandler
verrichtet im tiefsten Schlafe noch Handlungen ohne vernünftigen
Zusammenhang/4 Man mass wahrhaft über diesen
,unvernünftigen Zusammenhang* des .Referenten erstaunen,
wenn ihm durch den Verfasser selbst von einem Amsterdamer
Studenten berichtet wird, der schlafwandelnd eine
schwere Rechnung nach einer neuen besseren Methode ausführte
, von welcher ihm selbst keine andere Erinnerung als
seine Handschritt geblieben war. Referent sucht das Vernünftige
darin wohlweisslich abzuschwächen: „Wer hätte
aber nicht wohl in seinem Leben einmal im Traume eine
schwierige Aufgabe gelöst, wenn er vielleicht monate- oder
jahrelang an derselben Arbeit thätig war! Referent ist das
auch passirt; er erklärt es sich aber sehr einfach nach der
Theorie von Binz, d. h. durch wache Gehirnzellen, welche
sich vorzugsweise mit dem Gegenstande energisch zu beschäftigen
hatten. Die Fälle, welche der Verf. von Schlafwandlern
erzählt, sind ja an sich drastisch genug, gehören
aber sämmtlich in dieselbe Erklärungsart." Also nur einige
wache Gehirnzellen rechnen ein verwickeltes Problem aus,
welche Gehirnzellen nach Binz's Theorie bloss recht mit
Sauerstoff durchtränkt zu sein brauchen, während das übrige
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