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Gr. C. Wittig: Hieronymus Lorm und der Spiritismus. 87
Er sucht nun Kants „Träume eines Geistersehers, erläutert
durch Träume der Metaphysik", auf die sich Fichte
theilweise bezogen hat, als grösstenteils nur ironisch gemeint
hinzustellen und findet in Kaufs Urtheil in der
„Anthropologie" (§§. 35 und 37): „Die wirklichen, den
Sinnen vorliegenden "Welterscheinungen (mit Swedenborg)
für blosses Symbol einer im Eückhalte verborgenen in-
telligiblen Welt ausgeben, ist Schwärmerei" u. s. w,,
eine apodiktische Verachtung des Spiritismus. Wie aber,
wenn sich Kant nun auch in diesem seinem Urtheile geirrt
hätte, wie doch Herr Lorm ihm in Bezug auf seine Träume
eines Geistersehers imputiren möchte? Wir sind der ganz
bestimmten Ansicht, dass der ganze Spiritismus und moderne
Spiritualismus nicht mit den Aussprüchen eines Kant und
Lorm steht und fällt, sondern dass er durch sich selbst
existirt und weiter existiren wird als eine sinnenfällige
Thatsache, so lange es Medien und objective Beobachter
derselben giebt, welche der Wahrheit die volle Ehre geben.
Es wird Herrn Lorm und seinen Anhängern wenig helfen,
wenn sie auch die Aussprüche sich angeblich manifestirender
hoher Geister zu Trivialitäten herabzuwürdigen suchen, und
zwar ohne alle Beweise — da, wo sich echte hohe Geister
kund geben, werden sie auch in einem für ihre Aussprüche
empfänglichen und vorgebildeten Intelleet sicher Glauben
und Verständniss finden. Herr Lorm soll doch als so überlegener
Geist einmal den Yersuch machen und im Rahmen
einer kurzen gelegentlichen Schiefertafel-Schrift uns bloss
die Quintessenz seines vorliegend besprochenen Artikels
einmal recht geistreich wiedergeben! Sie würde den Spiri-
titen gegenüber trivial genug lauten: „Ihr seid weiter
nichts mit euren Medien als blosse Schwindler und Betrüger
!" Wer wollte nun daraus folgern, dass dieses der
Geist des Herrn Hieronymus Lorm nicht wäre? Aber er
ist seiner Sache doch recht ungewiss, wenn er auf blosses
Geschwätz und Hörensagen hin urtheilt: „Nicht ein Wort
sollen diese Geister verkünden, welches die Beglaubigung,
von ihrer Persönlichkeit zu stammen, mit sich führte" u. s. w.
Dieser Umstand genügt also allein nicht, „um die Hoffnung
zu schmälern, dass hinter dem Spiritismus irgend ein
glaubenswerther Kern stecken könnte."
Dass aber Herr Lorm bloss Gespenster fürchtet und
durchaus nicht den Kern der Sache versteht, ist aus den
Schlussworten seines I. Artikels ersichtlich: — „Dass die
rationalistischen Biedermeier, deren Kriterion der Fanatismus
ist, zum Besten einer ganz gemüthlichen Auffassung
der Weltordnung Alles begreifen und Alles begreiflich
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