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98 Psychische Studien. VI. Jahrg. 3. Heft. (März 1879.)
Wahrheit auf die Spur zu kommen. Um die Wahrheit zu
finden, ist aber räthlieh, deu strengen wissenschaftlichen
Weg einzuschlagen, der die Menschheit mit immer grösserem
Erfolg seit hundert Jahren zu dem Schatze naturwissenschaftlichen
Wissens geführt hat, den wir jetzt besitzen,
und dessen Vermehrung in früher nicht geahnter Weise
der moderne Spiritualismus m Aussicht stellt. Sollen wir in
Erkenntniss vorwärts schreiten, gerade auf das Ziel los,
ohne uns von Irrlichtern auf Abwege verlocken zu lassen,
so muss jeder Beobachter vier Dinge im Auge behalten:
1) Er muss in jedem einzelnen Fall der Beobachtung
kritisch verfahren, als wenn er mit Betrügern zu thun hätte,
wenn er auch moralisch davon überzeugt ist, dass dieser
Fall nicht vorliegt.
2) Er muss unter wechselnden Bedingungen andauernd
beobachten, um allmälig zu lernen, welches die Bedingungen
sind, unter denen die zu studirenden Erscheinungen eintreten
oder nicht. Hieraus wird man lernen, ob und wie
die Phänomene willkürlich hervorgerufen werden können
und welches der Zusammenhang \on Ursache und Wirkung
ist
3) Er muss aus vielen Fällen das generell übereinstimmende
und das individuell Verschiedene zu erkennen
suchen, und so zur Erkenntniss der waltenden Gesetze
vordringen.
4) Nur so wird eine sittlich werthvolie philosophische
Anschauung das Gebäude der Thatsachen krönen.
Dieser Krönung des Gebäudes muss eine lange mühsame
Bauarbeit vorhergehen. Alle diejenigen, welche nicht
von vorn herein den ganzen Spiritismus — mit sammt
dem thierischen Magnetismus, Somnambulismus, zweiten
Gesicht etc. als Humbug ansehen, nicht in den spiritistischen
Erscheinungen nur Betrug, Selbsttäuschung oder Verführung
des Satans erblicken, werden es als eine würdige und dabei
höchst interessante Aufgabe betrachten, je nach Neigung
und Begabung in dieser oder jener Richtung einen Stein
oder mehrere zu dem „Tempel der erweiterten Erkenntniss
" beizutragen. Möge diess auch mir vergönnt sein.
Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass ich Gelegenheit
hatte, endlich ein deutsches Medium kennen zu
lernen, welches in rasch fortschreitender Entwicklung begriffen
— die Feinde der Sache würden sagen: „im Betrug
immer geschickter werdend" — bestimmt zu sein scheint, eine
so reiche Fülle von Phänomenen der verschiedensten Art
darzubieten, dass der deutsche Forschergeist darin eine
unerschöpfliche Quelle des Studiums finden wird. Allen
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