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108 Psychische Studien. VL Jahrg. 3. Heft. (März 1879.)
wohnlichen Träumen oder krankhaften Halluci-
nationen; denn das Absiehtsvolle, Gewollte, der
unverhüllte Zweck in denselben ist dem unbefangenen
Urtheil zu deutlich erkennbar. (Insofern
kann sogar bemerkt werden, dass die beiden letzten im
vorigen Abschnitt (II) mitgetheilten Beispiele offenbare
Analogie haben mit jenen Manifestationen, indem schon erinnert
worden, dass auch hier, wie diess von allen psychischen
Zuständen gilt, die Unterschiede und Abstufungen
durch leise Uebergänge in einander fliessen.)
Hier ist nun die Frage: in welcher psychologisch
verständlichen "Weise die Entstehung solcher Phänomene
erklärt werden könne? Die Antwort ist hier vielleicht, weil
die Thatsachen einfacher verlaufen, leichter zu finden, als
in den complicirteren Fällen des eigentlichen „Geister-
sehens", auf welche sodann die hiei gefundene Analogie
übertragen werden dar!
Ich habe desshalb aus den zahlreichen Belegen, welche
die Erfahrung dafür bietet, ein Beispiel ausgewählt, welches
einfach in seinem Verlaufe, dennoch in charakteristischer
Weise den entscheidenden Umstand hervortreten lässt, aui
den es hier ankommt. Für das Thatsächliche darf ich einstehen
; denn ich habe die Umstände bis in ihre Nebenzüge
hinein genau erkundet.
Eine achtbare Dame gebildeten Standes, Vorsteherin
eines Mädetierinstitutes, von herzlicher Frömmigkeit, aber
abgeneigt „allen phantastischen Einbildungen", — wesshalb
sie auch zur Zeit des „Tischrückens" all dergleichen streng
von sich abhielt, — erzählte mir, wie dennoch ein Erlebniss
unerklärlicher Art einen tiefen Eindruck in ihr hinterlassen
habe. Während ihrer Jugendzeit lebte sie bei ihrem Bruder
in einer kleinen Stadt Schwabens. Beide bewohnten den
untern Stock eines Hauses; über ihnen ein älterer, einzeln
stehender Mann, mit welchem sie weder irgend welche gesellschaftliche
, noch Familienbeziehungen hatten. Eines
Tages hört sie im Zimmer über sich ein Geräusch, gleich
dem Fall eines schweren Körpers. Sie eilt hinauf, findet
die Thür verschlossen; auf ihre Meldung bei den Hausgenossen
sprengt man dieselbe und findet den Bewohner am
Boden mit dem Tode ringend. Gleichzeitig vernimmt sie
„innerlich" eine Stimme die Worte: „Schwarzer Kaffee"
zweimal ihr zurufen. Sie fühlt sich gedrungen, in ihrer
Küche seine Bereitung zu besorgen. Der unterdess herbeige
] ufene Arzt, den Kranken prüfend und an dem neben ihm
liegenden leeren Fläschchen eine Opiumvergiftung erkennend,
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