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Philosophische Gedanken des Professor Wözel.
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zweiten Sphäre verhältnissmässig für das empfänglich ist,
was er hier zu seiner weiteren Entwickelung findet.
Daher muss das Edlere und Wesentliche, was der
Mensch bei seinem Eintritt auf die Erde mitbringt, der
feinste unsichbarste Stoff irgend einer Art sein, aus welchem
uranfänglich sein Stock bestand, der sich in seiner ersten
Periode entwickelte, dem Umfange oder der Grösse nach
erweiterte und durch den Zufluss neuer angezogener hiezu
tauglicher Stoffe auch nach Beschaffenheit vervollkommnete.
Der Mensch erscheint nun also als ein organisches Wesen,
welches mehrere Bekleidungen oder Hüllen hat, wovon
die spätem und gröbern die allererste oder
feinste so bedecken, dass man dieselbe nun noch weniger
wahrnehmen kann, als vorher. Bei fortgesetzter Ausbildung
des Menschen auf der Erde vermehren und vervollkommnen
sich die gröbern Stoffe mit den feinern so sehr, dass
er endlich als das vollkommenste und schönste Bild
unter allen irdischen Naturwesen erscheint. Daher ist
nichts unter allen Naturprodukten und physischen Erscheinungen
auf der Erde mit einem schönen Manne oder
Weibe zu vergleichen. Aber dieser schöne Mann und
dieses schöne Weib verlieren ebenfalls allmählig unter
verschiedenen Umständen ihre Vollkommenheit und
Schönheit wieder. Der sonst aufstrebende Blick, wie
sein Körper, neigt sich wieder zur Erde, und der Mensch
wird theils entstellt, theils so schwach, dass er sich endlich
selbst nicht mehr für das hält, was er vorher war. Doch
zeigt sich bei dem allen manche andere merkwürdige Erscheinung
. Denn in dem schönen physischen Naturprodukte
des Menschen äussern sich auch geistige Vermögen und
thätige Kräfte. Der menschliche Körper, als physisch organisches
Werk, erscheint für uns als die Wohnung eines
geistigen Wesens höherer Art, worin dasselbe wirken
und seine thätigen Kräfte nicht bloss äussern kann, sondern
auch wirklich äussert.
Bei dem Embyro hingegen entdecken wir keine Spur
von dem Dasein jenes geistigen Wesens (der Seele);
bei dem Eintritte des Menschen auf der IJrde möchte
der Physiognom etwas davon bloss vermuthen, während
der Naturforscher nur ein thierartiges Wesen an
dem neugebornen Kinde entdecken kann, in welchem
aber sehr bald die geistigen Vermögen sich zu entwickeln
und die SeeleuLräfte sich merklich zu äussern
anfangen. Sie nehmen bi<* auf einen gewissen Punkt verhältnissmässig
zu mit der fortschreitenden Vollkommenheit
des Körpers. Hieraus folgt wenigstens, dass der mensch-
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