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Wittig: Dr. 0. Zöckler's Referat über Prof. Zöllner. 173
wir die Bestrebungen des füjuritismus im Allgemeinen be-
urtheilen, wissen unsre Leser aus früheren Abhandlungen
und Referaten. Dass unsre Stellung zu denselben dadurch,
dass ein oder etliche namhafte deutsche Naturforscher zu
ihnen, d. h. zunächst zu den ihnen zu Grunde liegenden
Thatsachen sich bekennen, eine wesentliche Aenderung erfahren
werde, wird Niemand erwarten. In einem Punkte
allerdings scheint uns durch den Umstand, dass nach streng
wissenschaftlichen Regeln und geleitet von wissenschaftlichem
Interesse experimentirende Forscher iür die fraglichen Erscheinungen
eintreten und dieselben einem Sichtungs- und
Prüfungspiocess zu unterwerfen beginnen, eine erhebliche
Erleichterung des freundschaftlichen Verkehrs positiv-evangelischer
Theologen mit. den Problemen dieses Gebietes
und ihren Förderern bewirkt zu werden. Das, was vorzugsweise
unheimlich und widerwärtig für den schriftgläubigen
Beurtheiler des bisherigen Thuns und Treibens der Spiritisten
erscheinen musste, ihr neugieriges Trachten nach
Kundgebungen aus der Welt abgeschiedener Geister, tritt
mit Einem Male erheblich zurück, sobald die Erforschung
der betr. Kundgebungen in die Hände ernster Vertreter
der AVissenschaft gelegt wird. Der Spiritismus hört
bei Uebertührung auf dieses Gebiet auf, todten-
beschwörender Geistercultus zu sein; sein ne-
kromantischer Charakter hört auf, wird wenigstens
sehr zurückgedrängt. Es fällt so eins der gegründetsten
Vorurtheile, die einem offenbarungsgläubigen Christen
bisher es erschweren oder gänzlich verbieten mussten, intimere
Beziehungen zu den in Rede stehenden Erscheinungen
zu pflegen. Man halte jedoch darum die Sache
nicht etwa ohne Weiteres für eine directe Bestätigung des
biblischen Wunder- und Offenbarungsglaubens, für eine von
Gott erweckte unmittelbare Bundesgenossin oder gar Retterin
seiner Kirche. Die naturwissenschaftliche Prüfung und
Erklärung der fraglichen Phänomene mag ehristlioherseits
als eine willkommene Kritik des geisttödtenden, stoffvergötternden
Materialismus unserer Tage freudig begrüsst
werden: eine directere Beziehung zwischen ihr und den christlich
-kirchlichen Angelegenheiten kann, einstweilen wenigstens
, sicherlich nicht verwirklicht werden; beide Reihen
von Bestrebungen müssen \ielmehr ihre eignen
Wege gehen. Die G-eister des Spiritismus, auch des
wissenschaftlich geläuterten und rectificirten, sind weder
die Engel oder Seligen der biblischen Offenbarung, noch
sind seine Wundereffecte unmittelbar solche, die mit den
Wundern der hl. Schrift auf gleiche Stufe gestellt oder
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