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178 Psychische Studien. VI. Jahrg. i Heft. (April 1879.)
vollendet, sondern erwartet erst in einer künftigen Periode
seine nähere Vollendung. Dass aber der menschliche Geist
dahin gelangen kann, erhellt schon daraus, dass durch die
mancherlei Veränderungen des Körpers die G eistesthätigkeit
in der jetzigen Periode zwar manchmal gestört und aufgehalten
, dass aber der menschliche Geist, der sich als
höhere Kraft über die ganze sinnliche Natur zu erheben
und den gewaltigsten Stürmen derselben gleichsam zu trotzen
vermag, keineswegs durch dieselben, selbst durch den physischen
Tod nicht zerstört werden, sondern nac h demselben
immer noch werde fortleben und wirken können. Nachdem
nun der menschliche Gr eist sich erst aus diesen Stoffen
oder Hüllen heraus, und über dieselben so weit hinweggearbeitet
, oder sich von ihnen losgewunden hat, dass sie
ihm seine Kräfte weder schwächen, noch rauben können;
so muss er auch dann noch bleiben , was er ursprünglich
ist, obgleich seine Körperhülle von ihm getrennt ist und
sich zu anderen Erscheinungen auflöst. Es fragt sich nun:
Ob in der materiellen Natur schon eine Anlage von
einer äusserst feinen Hülle für den menschlichen Geist
in der künftigen Periode seines Daseins liege oder hierzu
schon vor- und zubereitet sei? Der Naturforscher findet,
dass selbst jedes organisch lebende Wesen auf der Erde
seinen Keim schon in einer materiellen Hülle eingewickelt
habe und aus derselben wieder hervorkomme.
Da es aber keinen Sprung in der ganzen Natur giebt, so
kann es auch in der menschlichen Natur keinen geben;
sondern der menschliche Geist muss mit einer feinen
Hülle bekleidet durch den Tod in das folgende Leben
übergehen, und der zerstörte Körper ihm dennoch gleichsam
ein Organ lassen, welches sich für die künftige Lebensperiode
schickt. Denn so wie z. B. der Apfel, der seinen Kernen
zur Hülle dient, von denselben ganz getrennt werden kann,
jeder Kern aber doch in der ihm nächsten Hülle bleibt;
ebenso kann auch der Geist und gleichsam der Kern des
Menschen nach seiner Trennung von der groben Körperhülle
doch seine nächste, feinste Hülle behalten.
Der Anthropolog betrachtet dp her den physischen
Tod des Menschen bloss als eine besondere Veränderung
seines jetzigen Zustandes für den künftigen, weil der
Geist des Menschen im Tode den sinnlichen Körper ablegt,
den er in der nächsten Lebensperiode nicht mehr braucht,
hingegen diejenige feine Hülle behält, die ihm künftig
auch noch nöthig ist, um hierdurch Empfänglichkeit für
alles zu behalten, was ihm künftig zufliessen mag. Er
bleibt also Mensch in seiner uranfänglichen Hülle,
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