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Dr. C. Bindemann: Erscheinungen und Vorgesichte. 323
Erscheinungen und Vorgestellte.
„Rückblicke auf Leben und Amt von Dr. C.
Bin de mann (Halle, Julius Fr icke, 3879)" — heisst ein von
dem im Juni 1878 im 64. Lebensjahre verstorbenen Superintendenten
zu Grrimmen in Neu-Vorpommern erschienenes
Buch, aus welchem die „Europa" No. 8/1879 eine Schilderung
seiner Vaterstadt Barth unter dem Titel: „Eine alte deutsehe
Ostsee-Stadt vor sechzig Jahren" bringt, welche unter vielen
anderen höchst fesselnden Mittheilungen auch folgende enthält
: — „Der alte Glöckner und Todtengräber, der täglich
ein paar Mal auf den Thurm zu steigen hatte, um das
Morgen- und Abendgeläute, — was leider in der Folgezeit
bald verstummte, — zu besorgen, deutete geheimnissvoll
mit der Bemerkung, dass es am gerathensten sei, über
dergleichen zu schweigen, darauf hin, dass er, wenn er im
Abenddunkel zum Thurm emporsteige, dort Wahrnehmungen
mache, bei denen ihn ein Grauen überfallen müsse. Diese
und jene Oertlichkeit wurde als eine solche bezeichnet, an
welcher ein ruheloser Geist umgehe und nächtliche Wanderer
schrecke und verfolge, bis er etwa an einem Kreuzwege
oder vor dem Zeichen des Kreuzes verschwinde. Oder
auch es sollten von Geisterbannern dämonische Wesen in
wüste Oerter verwiesen sein. Ferner ward erzählt, dass
Seeleute, die auf weiter Reise abwesend waren, zum Schrecken
der Ihrigen in unbeweglich stiller Gestalt an der Thür
ihres Hauses gestanden hätten, eine Erscheinung, die entweder
auf den soeben erfolgten Tod oder auf augenblickliche
grosse Lebensgefahr des Erscheinenden hindeutete. Oder
man wollte wissen, dass diese und jene Personen sich selbst
gesehen hätten, zum Vorzeichen entweder des nahen Todes
oder einer bevorstehenden grossen Lebensgefahr. Man deutete
auf einige hin, denen Blickein die ausserirdische Welt
aufgeschlossen würden; vornehmlich auf einen alten Handwerker
, in dessen Augen freilich etwas leuchtete, was zu
bezeichnen schien, dass ihm Dinge gezeigt würden, die von
Sterblichen nicht gezeigt werden können. — Folgende Erzählung
ist völlig verbürgt. An einem Sommerabend sitzen
mehrere Nachbarsfrauen auf der Bank vor einer Hausthür
— fast jedes Haus war mit einer solchen ausgestattet —
im Gespräch beisammen. Der unheimliche Alte tritt zu
ihneu und sagt, dass er au der See zwei Leichenlichter
tanzen gesehen habe und nach wenigen Tagen zwei Knaben
aus der Nachbarschaft im Wasser umkommen würden.
Erschrocken fragt eine der Frauen — alles in plattdeutscher
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