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Prof. Dr. Fi. Hoffmann: Immanuel Kant's Unsterblichkeitslehre. 415
allen sein, wenn die Hoffnung des Künftigen ihn nicht erhübe
und den in ihm verschlossenen Kräften nicht die Periode
einer völligen Ausbildung bevorstände. Die Ursache
der Hindernisse, welche die menschliche Natur in so tiefer
Erniedrigung erhielten, liege in der Grobheit der Materie,
darin sein geistiger Theil versenkt sei. Die specifische Beschaffenheit
des Stoffes habe eine wesentliche Beziehung zu
dem Gm de des Einflusses, womit die Sonne nach dem
Maasse ihres Abstandes sie belebe und zu den Verrichtungen
der animalischen Oekonomie tüchtig mache. Die meisten
der Planeten des Sonnensystems hielt Kant damals für bewohnt
und meinte, die es nicht seien, würden es dereinst
werden. So glaubte er die Annahme aufstellen zu können:
,,der Stoff, woraus die Einwohner verschiedener Planeten,
ja sogar die Thiere und Gewächse auf denselben gebildet
sind, muss überhaupt um desto leichterer und feinerer Art
und die Elasticität der Fasern sammt der vortheilhaften
Anlage ihres Baues um desto vollkommener sein, nach
dem Maasse, als sie weiter von der Sonne abstehen." Kant
hielt sich damals überzeugt, dass der Stoff, woraus die
Himmelskörper gebildet seien, bei den entfernteren (Planeten
) allemal leichterer Art als bei den nahen sei, welches
nothwendig an denen Geschöpfen, die sich auf ihnen erzeugten
und unter hielten, ein gleiches Verhältniss nach
sich ziehen müsse, und zwar auch in Ansehung der geistigen
Fähigkeiten der vernünftigen Geschöpfe. Wir können daher
nach Kant mit mehr als wahrscheinlicher Vermuthung
schliessen, dass die Trefflichkeit der denkenden Naturen,
die Hurtigkeit in ihren Vorstellungen, die Deutlichkeit und
Lebhaftigkeit der Begriffe, die sie durch äusserliche Eindrücke
bekommen, sammt dem Vermögen sie zusammenzusetzen
, endlich auch die Behendigkeit in der wirklichen
Ausübung, kurz, der ganze Umfang ihrer Vollkommenheit
unter einer gewissen .Regel stehen, nach welcher dieselben,
nach dem Verhältniss des Abstandes ihrer Wohnplätze von
der Sonne, immer trefflicher und vollkommener werden.
Daher dürfen wir muthmaassen, dass die menschliche Natur,
welche in der Leiter der Wesen gleichsam die mittelste
Sprosse inne hat, sich zwischen den zwei äussersten Grenzen
der Vollkommenheit mitten inne sieht. Wenn die Vorstellung
der erhabensten Klassen vernünftiger Creaturen,
die den Jupiter oder Saturn bewohnen, ihre Eifersucht reizt
und sie durch die Erkenntniss ihrer eigenen Niedrigkeit
demüthigt. so kann der Anblick der niedrigen Stufen sie
wiederum zufrieden sprechen und beruhigen, die in den Planeten
Venus und Merkur weit unter der Vollkommenheit
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