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Prof. Dr. Fr. Hoffmann: Immanuel Kant's Unsterblichkeitslehre. 417
hafteste Einrichtung der Natur in allen "Weltkörpern erreichen
kann!"*)
Auch in den „Träumen eines Geistersehers", (worin schon
der Uebergang zum Kriticismus sich ankündigt), „erläutert
durch Träume der Metaphysik" (1766), wird von Kant der
angedeutete cartesianisch-dualistische Standpunkt nicht verlassen
. Der Abschied, den er in dieser Schrift vom Dogmatismus
nimmt, gilt nicht sowohl dem Cartesianismus,
wenigstens nicht dem kosmologischen Dualismus desselben,
sondern wie (stillschweigend) dem Spinozismus, so vorzüglich
und direct dem Leibnizianismus und Wolffianismus.
Dem Spiritualismus und dem Materialismus gegenüber stellt
er sich auf den Standpunkt des kosmologischen Dualisnr s,
weder dass die Welt, die Schöpfung Gottes, rein geistig,
noch dass sie rein materiell zu erklären sei, sondern behauptend
, dass Seelenweit und Natunvelt, Geisterwelt und
materielle Welt ihrem Ursprung nach qualitativ verschieden
seien, wiewohl in eine unbegreifliche Verbindung und Wechselwirkung
gebracht.**) Er bekennt im Grunde nicht zu wissen,
was eine Seele oder ein Geist sei, und er hätte eigentlich dasselbe
von der Materie und m^ht weniger von Gott sagen müssen,
wenn er nur ein absolutes Wissen für Wissen gelten lassen
wollte. Der halbskeptische kritische Gesichts- oder Standpunkt
tritt hier schon so stark hervor, dass K. sagt: „Man
kann die Möglichkeit unmaterieller Wesen (Seelen, Geister,
Ref.) annehmen, ohne Besorgniss, widerlegt zu werden, wiewohl
auch ohne Hoffnung, diese Möglichkeit durch Vernunftgründe
beweisen zu können." Garz analog erklärte
Kant später in der „Kritik der reinen Vernunft" die Existenz
Gottes weder für beweisbar, noch für widerlegbar und zog
sich auf den moralischen Glauben zurück. So ist es auch
schon in den „Träumen eines Geistersehers" eigentlich nur
ein Glaube, dass Seelen, Geister existiren, nicht eine wissenschaftliche
Erkenntniss. Diess drückt sich bestimmt genug
in den Worten aus: „Ich gestehe, «hiss ich sehr geneigt
sei, das Dasein unmaterieller Nnturen in der Welt zu behaupten
und meine Seele selbst in die Klasse dieser Wesen
zu setzen."***) Er fühlt sich zwar bedrückt durch die Unbegreiflichkeit
der Wechselwirkung zwischen Seele und Materie
. Indessen ändert diess nichts an der Thatsache, dass
*) /. KanVs S. Werke von Hartenstein, I, ni9~ 345. Vergl. S.
304—5. S. Werke Baadefs 8, 219, 287.
**) „Der Hylozoismus (den A. damals verwarf) belebt (beseelt,
begeistigt, ßef.) alles, der Materialismus dagegen, wenn er genau erwogen
wird, tödtet alles", sagt Kant. (S. Werke II, o*)H.)
***) Kants Werke II, 335.
Psychische Studien. September 1879. 27
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