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436 Psychische Studien. VI. Jahrg. 10. Heft. (October 1879.)
werden, je eingehender, genauer die Untersuchung, muss man
sagen: je mehr sie es bezüglich der spiritistischen That-
sachen gewesen ist, desto sichrer haben sich solche in den
als beweisend anzusehenden Fällen als nicht durch Selbsttäuschung
noch Betrug erklärbar herausgestellt; und es
ändert hierin nichts, dass es auch an unzulänglichen Beobachtungen
und nachgewiesenen Betrügereien in diesem
Felde nicht gefehlt hat.
Jedenfalls finde ich nach all* dem keine zwingenden
theoretischen Gründe, die Möglichkeit spiritistischer Erscheinungen
überhaupt zu bestreiten, hingegen zwingende
empirische Gründe, die Thatsächlichkeit solcher Erscheinungen
anzuerkennen, obschon ich mich diesem Zwange
insbesondere bezüglich der sog. Materialisationserscheinungon
und was damit zusammenhängt, nur mit Widerstreben füge*).
Ein Fundament aber für die Tagesansicht kann ich im
Spiritismus überhaupt nicht suchen, und selbst nur eine
zweideutige Hülfe darin finden.
Einmal aus dem formalen Grunde, dass der Spiritismus
dem Unglauben noch in weitesten Kreisen begegnet, und
es misslich wäre, die Glaubenssachen der Tagesansicht mit
der Fraglichkeit von Thatsachen zu vermischen, zweitens
aus dem viel wichtigeren sachlichen Grunde, dass sich gesunde
Ansichten vom Jenseits und seinen Beziehungen zum
Diesseits nicht aus abnormen Verkehrsverhältnissen zwischen
beiden gewinnen lassen. Für den abnormen Charakter des
spiritistischen Verkehrs zwischen Jenseits und Diesseits aber
sprechen Umstände wie folgt.
Nicht nur, dass der Charakter des Ausnahmsweisen
selbst an sich zugleich diesem Charakter entspricht, ist auch
der Zustand und das Verhalten der, die spiritistischen Erscheinungen
vermittelnden Medien während der spiritistischen
Manifestationen mehr oder weniger abnorm, umsomehr (vom
*) Muss man einmal anerkennen, dass hier ein Gebiet vorliegt,
dessen Phänomene nach den uns bekannten Principien nicht erklärbar
sind, so würde es selbst principios sein, die Gränze dessen bestimmen
zu wollen, was nach den noch unbekannten Principien möglich ist:
und im Grunde ist es nicht weiter von der einfachsten spiritistischen
Thatsache, die man nicht abweisen kann, ohne sie erklären zu können,
zur Katie King von C/ookes (Psychische Stud. Band 1), den Hand- und
Fussabdrücken von ZöHner u. s. w. u. s. w.? als vom Fünkchen ohne
Feuerzeug aus dem Bernstein bis zum Lütz und Donner aus den
Wolken und dem atlantischen Telegraphen, an welchem Gedanken
hin- und wieder durch das Meer laufen. Gewiss ist die Unwahr-
scheinlichkeit der spiritistischen Materialisationsphänomene von vornherein
haarsträubend, und bleibt doch schliesslich zurück gegen die
„Brutalität" der beobachteten Thatsachen. Um darüber zu urtheilen,
muss man freilich die Literatur darüber kennen*
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