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Gustav Theodor Fechner: Spiritistisches,
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mutze eine Narrenmütze auf. In der That lassen sich einem
zu harten Verdammungsurtheile des Spiritismus gegenüber
Punkte wie folgende geltend machen.
Eigentümlich ist, dass die bei den spiritistischen
Sitzungen Anwesenden, während sie von Geisterspuck umgeben
sind, doch nichts von dem Gespenstergrauen empfinden
, was wohl jeder aus Anwandlungen davon kennt;
vielmehr hat man bei den wunderbarsten Stücken, welche
die Spirits ausführen, nur das Gefühl, als ob man in einer
Taschenspielerbude sässe. Auch verkehrt sich's im Allgemeinen
recht harmlos mit den Spirits. Sie verrathen
keinen Unmuth darüber, aus dem Jenseits aufgestört zu
werden; meist scheint es ihnen eher Unterhaltung und Vergnügen
zu gewähren, den Anwesenden etwas vorzumachen
oder sich mit ihnen durch die spiritistisch hergebrachten
Verkehrsmittel auf Unterhaltung einzulassen; sind sie wieder
weg, so ist man freilich darnach so klug oder dümmer wie
vorher. Sehr allgemein geben sie selbst ein Interesse an
Förderung des Spiritismus zu erkennen, sprechen von ihm
als von einer Sache, die eine grosse Zukunft habe, und
geben sich gern zu beweisenden Experimenten dafür her,
indess sie gegen Zweifler und Leugner schlecht gestimmt
sind. Alles das klingt und ist nun freilich sehr curios und
verdächtig; indess kann man wohl denken, dass den ernsthaften
und gewissenhaften Beobachtern in diesem Felde
die Verdachtsgründe gegen dergleichen eben so nahe gelegen
haben, als den Nichtbeobachtern, welche sich durch
den Verdacht gleich mit der Sache abfinden, dass sie aber
auch von ihnen berücksichtigt worden sind. Wonach es
sich doch nicht möglich zeigt, all das auf bewusste Täuschungen
Seitens der Medien oder Hallucinationen der Beobachtenden
zu schieben, Wie dem auch sei, so spricht
jedenfalls die Weise, wie sich die spiritistischen Sitzungen
gestalten, gegen einen zu bedenklichen Charakter derselben;
und wenn ich noch hinzufüge, dass die Gesundheit der
Medien durch solche Sitzungen, falls sie nicht übertrieben
werden, nicht nachhaltig zu leiden scheint, — obwohl
das doch noch eines näheren Zusehens bedürfen möchte, —
so dürfte gegen Beobachtungen und Versuche im Felde des
Spiritismus zu wissenschaftlicher Feststellung seiner That-
sachen und Verhältnisse Seitens Berufener nichts einzuwenden
sein, und es selbst Niemand überhaupt verdacht
werden können, wenn er eine Gelegenheit zur eignen Beobachtung
in diesem Felde ergreift, um sich selbst ein Ur-
theil darüber zu bilden oder das Urtheil Andrer zu contro-
liren. Ueber diese Zwecke hinaus aber den Spiritismus zur
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