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Prof. Dr. Fr. Hoffmann: Immanuel Kant's Unsterblichkeitslehre. 469
Wesens, (welche man die Unsterblichkeit der menschlichen
Seele nennt) möglich. Also ist das höchste Gut, praktisch,
nur unter der Voraussetzung der Unsterblichkeit der menschlichen
Seele möglich; mithin diese, als unzertrennlich mit
dem moralischen Gesetze verbunden, ein Postulat der reinen
praktischen Vernunft. Der Satz von der moralischen Bestimmung
unserer Natur, nur allein in einem in's Unendliche
gehenden Fortschritte zur völligen Angemessenheit
mit dem Sittengesetze gelangen zu können, ist von dem
grössten Nutzen, nicht bloss in Rücksicht auf die gegenwärtige
Ergänzung des Unvermögens der spekulativen Vernunft
, sondern auch in Ansehung der Religion. In Ermangelung
desselben wird entweder das moralische Gesetz
von seiner Heiligkeit gänzlich abgewürdigt, indem man es
sich als nachsichtig und so unserer Behaglichkeit angemessen
verkünstelt, oder auch seinen Beruf und zugleich Erwartung
zu einer unerreichbaren Bestimmung, nämlich einem verhofften
völligen Erwerb der Heiligkeit des Willens, spannt,
und sich in schwärmende, dem Selbsterkenntniss ganz widersprechende
theosophische Träume verliert, durch welches
Beides das unaufhörliche Streben zur pünktlichen und
durchgängigen Befolgung eines strengen unnachsichtigen,
dennoch aber nicht idealischen, sondern wahrhaften Vernunftgebots
nur verhindert wird. Einem vernünftigen, aber
endlichen Wesen ist nur der Progressus ins Unendliche,
von niedern zu den höheren Stufen der moralischen Vollkommenheit
möglich. Der Unendliche, dem die Zeitbedingung
nichts ist, sieht in dieser für uns endlosen Reihe das Ganze
der Angemessenheit mit dem moralischen Gesetze und die
Heiligkeit, die sein Gebot unnachlässlich fordert, um seiner
Gerechtigkeit in dem Antheil, den er Jedem am höchsten
Gute bestimmt, gemäss zu sein, ist in einer einzigen intellektuellen
Anschauung des Daseins vernünftiger Wesen ganz
anzutreffen. Was dem Geschöpfe allein in Ansehung der
Hoffnung dieses Antheils zukommen kann, wäre das Bewusst-
sein seiner erprüften Gesinnung, um aus seinem bisherigen
Portschritte vom Schlechteren zum moralisch Besseren und
dem dadurch ihm bekannt gewordenen unwandelbaren Vorsatze
eine fernere ununterbrochene Fortsetzung desselben,
wie weit seine Existenz auch immer reichen mag, selbst
über dieses Leben hinaus zu hoffen, und so, zwar niemals
hier, oder in irgend einem absehlichen künftigen Zeitpunkte
seines Daseins, sondern um in der (Gott allein übersehbaren
) Unendlichkeit seiner Fortdauer dem Willen desselben
(ohne Nachsicht oder Erlassung, welche sich mit der Ge-
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