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510 Psychische Studien. VI. Jahrg. 11. Heft. (November 1879.)
Diesem schickte Jacobi voraus: „Vorrede, zugleich Einleitung
in des Verfassers sämmtliche philosophische Schriften"
(S. 3—125). Ohne Namensnennung weist hier Jacobi den
Angriff SchelHng's als unbegründet und verfehlt, wie er meint,
zurück und schliesst mit den Worten: „So lautete raeine
frühste Rede: ich rede, wie ich begann." Die Grundlehren
Jacobis lassen sich in dem Folgenden zusammenfassen: Alle
menschliche Erkenntniss geht aus von Offenbarung und
Glauben. Es gibt ein Wissen aus erster Hand, welches
alles Wissen aus zweiter — die Wissenschaft — erst bedingt
, ein Wissen ohne Beweise, welches dem Wissen aus
Beweisen nothwendig vorausgeht, es begründet und beherrscht
. Es gibt nur einen Weg der Philosophie, den
Weg der Selbstverständigung. Das Thier vernimmt nur
Sinnliches. D( r mit Vernunft begabte Mensch vernimmt auch
Uebersinnliches. Womit er dieses vernimmt, das nennt er
seine Vernunft, wie er das, womit er sieht, sein Auge nennt.
Das Orgf.n der Vernehmung des Uebersinnlichen fehlt dem
Thiere, daher der Begriff einer bloss thicrischen Vernunft
ein unmöglicher Begriff ist. Ist die Vernunft ^ber wahrhaft
offenbarend, so wird durch sie ein über den thierischen
erhabener, von Gott, Freiheit und Tugend, vom Wahren,
Schönen und Guten wissender, ein menschlicher Verstand
. Ueber dem von der Vernunft erleuchteten Verstand
und Willen ist im Menschen nichts, auch nicht die Vernunft
selbst. Denn das Bewusstsein der Vernunft und ihrer
Offenbarungen ist nur in einem Verstände möglich. Mit
diesem Bewusstsein wird die lebendige Seele zu einem vernünftigen
, zu einem menschlichen Wesen. Die Vernunft ist
wirklich und wahrhaft das Vermögen der Voraussetzung
des an sich Wahren, Guten und Schönen, mit der vollen
Zuversicht zu der objektiven Gültigkeit dieser Voraussetzung.
Diese Vernunft hatte Jacobi früher Glaubenskraft genannt.
Der Verstand, obgleich ein zweiter Erkenntnissquell genannt
, ist in Wahrheit keiner, indem durch ihn Gegenstände
nicht gegeben, sondern nur gedacht werden. Denken
heisst Urtheilen. Urtheil setzt Begriff, Begriff Anschauung
voraus. Man kann nicht denken, ohne zu wissen, dass etwas
ausser dem Denken ist, dem das Denken gemäss sein, das
es bewahrheiten muss. Wahrnehmung ist, und ihre Wirklichkeit
und Wahrhaftigkeit, obgleich ein unbegreifliches
werthe Anordnung der Bestand stücke ist dieser Gesanimtausgabe
wegen Zeitverhältnissen nicht zu Tbeil geworden. Auch den Werken
Jacobi1 s wäre noch aus anderen Gründen eine neue kr itische Ausgabe
zu wünschen, wie sie Lessiug (von Lachmann) erhalten hat und
jetzt Herder (von SuphanJ erhält.
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