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Gustav Theodor Fechner: Spiritistisches. 549
tönen, und dass das Leuchten, Tönen sich nur von Aussen
in Menschen und Thiere hineinerstrecke; wogegen es nicht
minder eine Hypothese ist, worauf die Nachtansicht fusst,
dass die Licht- und Schallschwingungen draussen weder
leuchten noch tönen, sondern nur das Vermögen haben,
Licht- und Schallempfindung in unserm Nervensystem zu
wecken. Zu Gunsten der ersten Hypothese vor der andern
aber Hess sich geltend machen, erstens, dass die natürliche
Auffassung des Menschen die erste von selbst vorzieht,
zweitens, dass nach ihr die "Welt unmittelbar einen erfreulicheren
Anblick gewährt als nach der zweiten, drittens,
dass sich auf sie des Weitern eine Weltansicht bauen lässt,
die nach allen Seiten befriedigender ist, als die, wozu die
zweite führt. Das zu zeigea, war die Hauptaufgabe dieses
Buches, und es kann nicht die Aufgabe eines kurzen Satzes
sein, es noch einmal zu zeigen. Dass die naturwissenschaftliche
Abstraction von den Empfindungsqualitäten des Leuchten
®,^ Tönens bei Betrachtung der quantitativen Bewegungsverhältnisse
des Lichtes und Schalles kein Fehlen der qualitativen
Bestimmtheit daran bedeute, ward in einem besonderen
Abschnitte (XX) besprochen.
Gestehen wir weiter zu: es ist kein strenger Schluss,
dass, wenn es ein Leuchten und Tönen über Menschen und
Thiere hinaus giebt, es auch ein darüber übergreifendes,
allgemeineres sehendes und hörendes Wesen dazu geben
muss, in welches die Empfindung des Leuchtens, Tönens
fällt. Kann nicht das Licht draussen für sich selber leuchten,
der Sehall für sich selber tönen? Wohl ward gesagt (S.
21): „Die sinnliche Empfindung kann ja nicht im Leeren
schweben, es bedarf eines Subjectes, eines übergreifenden
Bewusstseins dafür"; und wer kann sich's anders denken,
sieht er in sich selbst hinein; aber verwechselt er nicht
hiebei die subjective Thatsache mit einer objectiven Notwendigkeit
? triebt es doch wirklich eine Ansicht, nach der
die sinnliche Empfindung im Leeren schweben kann, ein
Atom nämlich nur in Schwingung zu gerathen braucht, um
für sich selbst eine einfache sinnliche Empfindung zu geben,
ohne dass es eines, diese Empfindung befassenden Subjectes
dazu bedarf (Abschn. XXII), wie wir solches doch foderten,
um die sinnliche Empfindung nicht für sich selbst bestandfähig
denken zu müssen. Was wird aber dann aus dem
ganzen Gott der Tagesansicht, dessen Fodcrung an dieser
Federung hieng oder doch damit zusammeuhieng ?
In der That, wenn sich die Annahme Gottes bloss
auf jene Foderung zu stützen hätte, so möchte sie noch
schwach genug gestützt erscheinen. Nun aber bleibt zu-
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