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558 Psychische Studien. VI. Jahrg. 12. Heft. (Deeember 1879.)
Schöpfers, nocli als identisch mit der Idee m betrachten,
sondern es ist ein der Idee Gemässes und als solches ein
Fürsichseiendes. Der oberste Begriff der Vernunft ist daher
der des Insichseienden, Aussiehhervorbringenden, des
unerschaffenen Schaffenden. Aus dem Begriff des Unbedingten
folgt der Dualismus des Uebernatür'ichcn und Natürlichen
. Kraft desselben unterscheiden wir uns von den
übrigen Gliedern d<>r Natur.*) In der Nutur waltet allein
das Gesetz der Stärke. Selbst im Thiere ist Lein "Wissen
und kein Gewissen, nur Trieb und Vorstellung des Triebes.
In der Natur erfolgt Alles auf durchaus nothwendige, mechanische
Weise. Den Urgegensatz des Uebernatürlichen
und Natürlichen können wir nur als diesen Gegensatz
denken, aber keinen Punkt darüber hinaus erdenken, in
welchem diese Antithesen ihre letzte Synthesis fänden.
Sehen wir mit den Mitteln dir Demonstration auf die Natur,
so lässt s:ch weder deren Selbständigkeit noch deren Abhängigkeit
von Gott erweisen; sehen wir auf Gott, so lässt
sich auch dessen schöpferisches Verhältnis« zur Welt durchaus
nicht als ein deakbnres darstellen.**) Aber was dem
reinen Gedanken verborgen bleibt, ist dem menschlichen Individuum
in seinem Leben aufgedeckt. Der lebendige
Mensch ist nämlich ein diese Gegensätze verknüpfendes
Wunder, — ein Wunder, weil in ihm die Synthese obiger
Antithesen auf wunderbare, unbegreifliche Weise vollzogen
worden ist. nämlich die des Sinnlichen und Geistigen, des
Leidende]» und Thätigen. Zu einer Geisteserkenntniss,
Gotteserkenntniss gelangen wir nur, weil der Geist Gottes
unser Wesen durchscheint, sich in uns abspiegelt, weil wir
durch ihn persönliche Wesen sind. Nur darum tritt auch
in uns Persönlichkeit, Freiheit, Selbstständigkeit hervor.
Mit der Höhe d<js Geistesbewusstseins Längt stets und innig
die Erkenntniss des Geistes selbst zusammen. Gott ist uns
als Schöpfer von Persönlichkeiten wie Solrates, Christus,
Feneloa erhabener, denn als Schöpfer des Sternenhimmels.
Indem wir bekennen, dass der Mensch Gottes Ebenbild in
sich trage, behaupten wir, dass ausser diesem vom Theismus
unzertrennlichen Anthropomorphisinus nur Gottesleug-
*) Auch Jacobi lässt uns im Dunkeln darüber, wie der Mensch
Naturgesehöpt' sein, au<* der Natur entsprungen sein kann und doch
zugleich Vernunftwesen, treies Wesen, ist oder geworden ist. In demselben
Dunkel lässt Kant die Frage stehen.
*^ Wäre diess von dem viel verspotteten: Credo, quia absurdum,
wesentlich verschieden ?
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