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Professor Zöllners letzte Experimente mit Slade in Leipzig. 61
Vorausgesetzt, dass man der vorstehenden Schilderung
von subjectiven Vorstellungen im magnetischen und hellsehenden
Zustande Vertrauen schenken darf und sich diese Vorstellungsbilder
auch bei andern Individuen unter andern
Bedingungen im Zustande des Hellsehens gesetzmässig
wiederholen und bestätigen sollten, so würde in der That
mit zunehmender Dauer und Tiefe des magnetischen Schlafes
eine ähnliche Erweiterung unseres kubischen Gesichtsgebietes
verknüpft sein, wie mit der Erhebung über dem Erboden
eine Erweiterung unseres quadratischen Gesichtsfeldes nach
perspectivischen Gesetzen verbunden ist.
Die Ermittelung dieser perspectivischen Gesetze für die
um eine Dimension erweiterte Raumanschauung würde zunächst
eine Aufgabe der Geometrie sein, ähnlich wie zuerst
die Elemente des Euklid bekannt und Gemeingut der
Physiker und Astronomen geworden sein mussten, ehe man
an eine räumliche Deutung der Himmelserscheinungen
denken konnte.
Dass Anschauungsbilder oder Gesichtsvorstellungen auch
ohne Vermittelung des physiologischen Gesichtssinnes
mit allen Attributen der Sinnlichkeit ausgestattet in unserer
Seele entstehen, sich verändern und verschwinden können,
beweisen die Träume, Hailucinationen und Phantasmen
. Ueber die Ursachen, durch welche diese Vorstellungen
in uns erzeugt werden, wissen wir nichts und
können daher nur Hypothesen darüber aufstellen. Fragen
wir uns aber, worin der Unterschied dieser Vorstellungs-
bilder von denjenigen besteht, welche im täglichen Leben
durch Vermittelung des Gesichtssinnes in uns erzeugt werden,
so ist os die grössere Lebhaftigkeit, Gesetzmässigkeit und
Beständigkeit bei den letzteren. Das wesentliche Kriterium
aber dafür, dass dieser letzten Classe von Vorstellungen
reale Objecte in einer Aussenwelt entsprechen, ist das geo-
metrische Kriterium, d. h. die für unseren Verstand gegebene
Möglichkeit, einen Theil der Veränderungen und
Unterschiede jener Vorstellungen auf die geometrischen
Gesetze der Entfernung und Lage zurück zu führen. Gelänge
unserem Verstände das Gleiche bezüglich jener ersten
, nicht durch den Gesichtssinn vermittelten, Classe
von Vorstellungen, so würden wir aucli diese genöthigt sein,
auf reale Objecte in einer Aussenwelt zu beziehen, gleichgültig
, ob die hierzu erforderlichen geometrischen Gesetze
in unserer bisherigen oder in einer um eine Dimension
erweiterten Raumanschauung zu suchen sind.
In beiden Fällen aber bleiben uns die Ursachen,
durch welche jene Vorstellungsbilder in uns erzeugt werden,
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