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Professor Zöllners letzte Experimente mit Slade in Leipzig. 63
der intelligente Wille eines menschlichen Individuums nach
Belieben so lebhafte Vorstellungsbilder in dem Kopfe eines
anderen, räumlich von ihm getrennten Menschen zu erzeugen
vermag, dass letzterer sich diesen Vorstellungen gegenüber
ganz so benimmt, wie denjenigen Vorstellungen gegenüber,
deren Ursachen wir im gewöhnlichen Leben als reale Ob-
jecte oder „Körper" bezeichnen. Diese Experimente sind
nun in der That in so überraschender und überzeugender
Weise durch Hrn. Magnetiseur Hansen in Deutschland
öffentlich angestellt worden, dass an der Realität einer
solchen Wechselwirkung eines individuellen, mit Intelligenz
gepaarten, Willens auf räumlich getrennte Individuen nicht
mehr gezweifelt werden kann *) Folglich ist unser Verstand
nach den Gesetzen der naturwissenschaftlichen In-
duction und der dritten Regula philosophandi Newton's gezwungen
, als Ursache und Urheber derjenigen Vorstellungswelt
, welche uns im täglichen Leben als sogenannte reale
Aussenwelt oder Natur umgibt, einen individuellen, mit
Intelligenz gepaarten Willen anzunehmen. Ob nun dieser
intelligente Wille sich bei Erzeugung unserer menschlichen
Vorstellungswelt noch zahlreicher anderer individueller
und intelligenter Existenzen bediene, oder ob ausser
den menschlichen und thierischen Individuen keine andere
Individualisirung eines intelligenten Willens in der Natur
vorkomme, so dass jener oberste Urheber unserer realeu
Vorstellungswelt allein dir eet und nach übereinstimmenden
Gesetzen unsere Gehirne beinflusse, ist vorläufig eine Frage
von secundl?rer Bedeutung. Nur das steht fest, dass als
Ursache unserer realen Vor st ellungs weit ein individuelles,
mit Intelligenz und Willen begabtes Wesen vorausgesetzt
werden muss.
Ich erlaube mir darauf hinzuweisen, dass die vorstehenden
Deductionen nicht neu und mir eigenthümlich sind.
Die Priorität hierfür gebührt unstreitig dem englischen
Philosophen Berkeley**) einem Zeitgenossen und Anhänger
Newton's. In seinem berühmten Tractat „über die Prin-
eipien der menschlichen Erkenntniss", Abschnitt 83, bemerkt
Berkeley wörtlich Folgendes: —
„Die durch den Urheber der Natur den Sinnen eingeprägten
Vorstellungen heissen wirkliche Dinge; diejenigen
aber, welche durch die Einbildungskraft hervorgerufen
werden und weniger regelmässig, lebhaft und be-
*) Vgl. Ausführliches hierüber im folgenden Abschnitt
**) George Berkeley, geb. 12. März 1685 zu Killerin in Ireland,
gest. 14. Jan. 1753. — Die folgenden Worte sind der deutschen Ueber-
setzung von JJeberweg entnommen. Berlin 1869.
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