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Prof. Hoffmann: Die Unsterblichkeitslehre Joh. Gottfr. Herder's. 73
ihn ist keine und keines denkbar, wirkend, und alle Kräfte
im innigsten Zusammenhang drücken in jeder Form ihn
aus, den Selbständigen, die Ur- und Allkraft, durch welche
auch sie bestehen und wirken.
Die sogenannte Materie ist nicht todt, sondern sie lebt,
denn in ihr wirken lebendige Kräfte. Da Raum und Zeit
endlos sind, so kann sich eine unzählbare Menge göttlicher
Kräfte und Formen in ihnen offenbaren. Das Unendliche
wohnt in jeder Naturkraft selbst. In jedem lebendigen
Wesen wirkt die innere Fülle der Kraft, wie es durch eine
ihm eingepflanzte stille Energie entstehen und sich nicht
anders als durch solche erhalten und sich fortpflanzen, aus
seiner Natur gleichartige Wesen, Bilder seiner selbst, lebend
und wirkend, mit gleicher Kraft begabt, mit gleicher Anlage
gebildet, erzeugen konnte. In der Generation liegt ein
Wunder der Schöpfung, eine inwohnende Macht der Gottheit
. Wir sind mit Allmacht umgeben, wir schwimmen in
einem Ocean der Macht. Ist die Zeit nur ein symbolisches
Bild der Ewigkeit, so ist der Raum ein symbolisches Bild
der absoluten untheilbaren Unendlichkeit. So verschwindet
der Gegensatz des innerweltlichen und ausserweltlichen
Gottes. Sein unendliches, höchst wirkliches Wesen ist so
wenig die Welt selbst, als das Absolute der Vernunft und
das Endlose der Einbildungskraft Eins sind. Kein Theil
der Welt kann also auch ein Theil Gottes sein. Denn
das höchste Wesen ist seinem ersten Begriffe nach untheil-
bar. Wurde die Materie nach Leiüniz von unmateriellen
Kräften dargestellt, in welche jede höhere Art unmaterieller
Kräfte wirken kann, so hätte Leibniz seine Hypothese der
prästabilirten Harmonie vermeiden oder fallen lassen können,
weil sich ja hiermit der sogenannte physische Einfluss (den
uns allenthalben die Natur zeigt und gegen welchen keine
willkürliche Hypothese etwas vermag) eben aus seinem
System bestätigte. Die ganze Welt Gottes ist ein Reich
immaterieller Kräfte, deren keine ohne Verbindung mit der
andern ist, weil eben nur aus dieser Verbindung und gegenseitigen
Wirkung ihrer aller alle Erscheinungen und Veränderungen
der Welt werden.*)
Je mehr die Physik zunimmt, desto weiter kommen
wir aus dem Reich (der irrigen Vorstellung) blinder Macht
und Willkür hinaus ins Reich (der Erkenntniss) der weisesten
Nothwendigkeit, einer in sich selbst festen Güte und
Schönheit. Macht ist wirkliche Wirksamkeit, wirksames
Dasein. Die Begriffe von Macht, Materie, Denken fallen
*) Ebendaselbst S. 158.
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