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Prof. Hoffmann: Die Unsterblichkeitslehre Joh. Gotttr. Herder's. 75
helleres Bild von Zusammenhang der Wesen nach jener
festbestimmten ewigen Ordnung, welche die Eigenschaft
und Wirkung der unendlichen Wirklichkeit selbst ist, mithin
auf nichts Geringerem als dieser untheilbaren ewigen
Unendlichkeit ruht. Kein edleres Gefühl also kennt unser
Geist, als, in den uns gegebenen Symbolen der Wirklichkeit
, der Ordnung zu folgen, die in dem Verstände des
Ewigen war, ist und sein wird.
Jedes seiner Gesetze ist das Wesen der Dinge selbst,
ihnen nicht willkürlich angehängt, sondern eines mit ihnen.
Ihr Wesen ist sein Gesetz, sein Gesetz ihr Wesen. Die
Verbindung aller ist eine thätige Darstellung seiner Wirksamkeiten
und Kräfte. Den Trüglichkeiten der Dichter
der Absichten Gottes in seinen Weltbauwerken entgeht
der bescheidene Naturforscher und Naturweise, der uns zwar
nicht partikulare Willensmeinungen (Absichten, Zwecke)
aus der Kammer des göttlichen Rathe3 verkündigt, aber
dafür die Beschaffenheit der Dinge selbst untersucht und
auf die ihnen wesentlich eingepflanzten Gesetze merkt. Er
sucht und findet, indem er die Absichten Gottes zu vergessen
scheint, in jedem Gegenstande und Punkt der Schöpfung
den ganzen Gott, d. i in jedem Dinge eine ihm wesentliche
Wahrheit, Harmonie und Schönheit, ohne welche es nicht wäre
und sein könnte, auf welche also seine Existenz mit innerer,
zwar einer vorübergehenden und bedingten, aber in ihrer
Art ebenso wesentlichen Notwendigkeit gegründet ist, als
auf weicher unbedingt und ewig das Dasein Gottes ruht.
Eben die völlige Abhängigkeit der Dinge von Gott macht
ihr Wesen zu nothwendigen Denkbildern seiner Macht, Güte
und Schönheit, wie sich diese nur in solchen und keinen
andern Erscheinungen offenbaren konnte.
Die Physikotheologie (die Teleologie) wird ihrem Grunde
nach darum doch immer bleiben. Die Wahrheit in ihr wird
sich sogar noch ungleich mehr veredeln, als sie in den bisherigen
teleologischen Lehren anzutreffen war, wenn man
statt nach einzelnen kleinen Absichten zu haschen, immer mehr
den Blick über das Ganze gewinnt, das bis auf seine kleinsten
Verbindungen nur Ein System ist, in welchem sich nach
unveränderlichen innern Kegeln die weiseste Güte offenbart.
Jedes gefundene wahre Naturgesetz wäre damit eine gefundene
Kegel des ewigen göttlichen Verstandes, der nur
Wahrheit denken, nur Wirklichkeit wirken konnte. Den
edelsten Kräften unserer Natur liegt Dasein zu Grunde.
Ohne Existenz dächte der Mensch nicht. Folglich muss der
Zweck seiner Gedanken sein, Dasein zu enthüllen, das Gegebene
als eine Offenbarung Gottes anzunehmen,
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