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Prof. Hoffmann: Die Unsterblichkeitslehre Joh. Gottfr. Herder's. 77
schlafenden Fälligkeiten werden tliätige Kräfte. 8. Im Beiche
Gottes existirt also nichts Böses, das Wirklichkeit wäre.
9. Zur höchsten Güte dieses Reiches gehört, dass das Entgegengesetzte
selbst sich einander helfe und fördere. 10. Auch
die Fehler der Menschen sind einem verständigen Geiste
gut, inwiefern sie dem Verständigen sich als Fehler zeigen
und ihm zu mehrerem Lichte helten.
Unsere Erde ist ein Stern unter Sternen. Vom Himmel
müssen wir anfangen. Die Erde ist nichts durch sich selbst,
sondern sie empfängt von himmlischen, durch das ganze
"Weltall sich erstreckenden Kräften ihre Beschaffenheit und
Gestalt, ihr Vermögen zur Organisation und Erhaltung der
Geschöpfe. Man muss sie im Chore der Welten betrachten,
unter die sie gesetzt ist. Mit unsichtbaren Banden ist sie
an ihren Mittelpunkt, die Sonne, gebunden, von der sie
Licht, Wärme, Leben und Gedeihen empfängt. Obgleich
die Erde unter den Sternen wie ein Staubkorn anzusehen
ist, so ist doch der in sich selbst allgenugsamen Natur das
Staubkorn so werth als ein unermessliches Ganze.
Da die Erde durch Gesetze bestimmt ist, die im Un-
ermesslichen wirken, so wird es unser Geschäft sein zu
fragen, was wir auf dieser Stelle sein sollen. Wir wissen,
dass die Erde einer der mittleren Planeten ist, dass sie
vielerlei Revolutionen durchlaufen hat, bis sie wurde, was
sie jetzt ist, dass sie eine Kugel ist, die sich um sich und
gegen die Sonne in schiefer Richtung bewegt, dass sie mit
einem Dunstkreise (einer Atmosphäre) umhüllt und im Con-
flikt mehrerer Sterne (Planeten) ist, dass sie als Erdge-
birg über die Wasser- (Meeres-) Fläche hervorragt, und
dass die beiden Hemisphären der Erde durch die Strecken
der Gebirge ein Schauplatz grosser Verschiedenheit und
Abwechselung wurde. So erscheint denn der Erdball als
eine grosse Werkstätte zur Organisation sehr verschiedenartiger
Wesen. In seiner Schöpfung herrscht eine Reihe
aufsteigender Formen und Kräfte. Vom Stein zum Kry-
stall, vom Krystall zu den Metallen. Von den Metnllen zur
Pflanzenschöpfung, von den Pflanzen zum Thier, von diesem
zum Menschen steigt die Form der Organisation; mit ihr
werden auch die Kräfte und Triebe des Geschöpfes vielartiger
und vereinigen sich alle in der Gestalt des Menschen,
sofern diese sie fassen konnte. Wir kennen kein vielartiger
und künstlicher (kunstvoller) organisirtes Geschöpf als den
Menschen. Er scheint das höchste, wozu eine Erdorganisation
gebildet werden konnte.
Durch diese Reihen von Wesen geht eine herrschende
Aehnlichkeit der Hauptform, die, auf unzählbare Weise ab-
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