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104 Psychische Studien. VII. Jahrg. 3. Heft. (März 1880.)
Hinsicht befand. Mag also eine öffentliche Vorstellung mit
nicht geringen Uebelständen verbunden sein, so ist sie immerhin
das einzige Mittel, Vielen eine Autopsie zu gewähren
und das Interesse des Publikums auf eine ernste, in
das Gebiet der "Wissenschaft fallende Frage zu lenken;
auch eine solche mag einmal die sonst das Tagesgespräch
beherrschenden kleinlichen Lokalereignisse und Politik verdrängen
, wenn sich auch dabei zunächst im Allgemeinen
ein bedauernswerther Mangel an TJebung zu derartigen Diskussionen
sowie an Fälligkeit zu selbstständigen (Jrtheilen
offenbart. Sagt John Siewart Mill doch sogar <ron den gebildetsten
Menschen, dass sie es noch nicht gelernt haben,
keine Schlüsse zu ziehen, die nicht durch Beweise gestützt
sind, wie muss es erst bei dem recht ungebildeten Durchschnitt
ausschauen! Aber wenn auch immerhin bei der
grossen Mehrzahl die geistige Anregung spurlos vorübergeht,
überall wird diess sicherlich nicht d°r Fall sein; der Gewinn
kann äusserlich nicht sehr imponirend aussehen, als
auf intellektuellem Gebiete erworben, wiegt er doch schwer,
"Wer Gelegenheit gehabt hat, die durch Hansen hier
hervorgerufene Bewegung zu beobachten, musste die öfters
aufgeworfene Frage sehr natürlich finden, warum denn nicht
die medizinische Fakultät die Sache in die Hand
nähme und das Publikum endgiltig darüber aufkläre, ob
und was es von den Experimenten Hansels zu halten habe.
Es drangen aber nur immer die Stimmen Einzelner in die
Oeffentliciikeit, bei denen wiederum auch nicht eine Spur
von Einigkeit zu entdecken war; und diese Discrepanz der
Ansichten, die, wie von einem medicinischen Fachblatt auch
mit Bedauern constatirt wurde, insbesondere grell bei den
G erichtssachverständigen in dem Prozesse Hansen's zu Tage
trat, liess die Öfters ausgesprochene Behauptung, „die Sache
verdiene keine wissenschaftliche Behandlung", in sehr zweifelhaftem
Lichte erscheinen. Gewiss ist es aber für Jeden,
der die Vorgänge in Wien während Hansen's Aufenthalt
aufmerksam verfolgt hat, dass es zunächst Laien und
nicht Aerzte waren, die den Experimenten das grösste
Interesse entgegenbrachten und sie mit wirklicher Objektivität
verfolgten; während es sich gerade jene Klasse, die
die Natur-Erkenntnis s gleichsam für sich m Beschlag genommen
zu haben vorgiebt, nicht hätte entgehen lassen
sollen, die Phänomene sorgfältig zu prüfen und das Laienpublikum
in bestimmten, keinem Zweifel Raum gebenden
Ausdrücken auf die Realität derselben der Wahrheit gemäss
aufmerksam zu machen. Doch — schliesslich sind
sie ja aus ihrer Reserve getreten, freilich erst auf Einwir-
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