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Dr. Janisch: Gedanken über Geistermaterialisation. H9
in voller Gestalt zeigte. Von dergleichen sittlichen Antrieben
ist bei den heutigen Anstrengungen der medmniisti-
sehen Geister absolut nichts bemerkbar, und was übrig
bleibt, ist die grosse Anstrengung nicht werth. Denn ich
glaube: wer — der Vemunftgründe zu geschweigen — durch
die gut beglaubigten Thatsachen aus alter und neuer Zeit
ohne die mediunustischen Materialisationen nicht überzeugt
wird, der will nicht überzeugt sein, und der wird nicht überzeugt
werden, wenn er auch hundert Materialisationssitzungen
beigewohnt hat.
Zweitens will es mir nicht in den Sinn, dass die Geister,
wenn sie einen so hochernsten Zweck verfolgen, so theatralisch
auftreten. Eine Materialisationssitzung ist das reine
Schaustück. Das Medium zieht sich in sein Cabinet zurück,
es fällt in Starrkrampf, und nun kommen, wie bei den Eddys,
in einer Sitzung bis zwei und dreissig Geister nach einander
hervor, oft mehrere zugleich. Einer von diesen, ein Indianermädchen
Namens Honto, nimmt einem der Anwesenden eine
Pfeife aus der Hand, zündet sie mit einem Zündhölzchen
an, und wandelt umher, mit Behagen schmauchend. Ein
anderer Geist, ein altes Weib darstellend, bringt aus dem
Cabinet etwas, das dem dünnen Schafte eines Pfeiles gleicht,
setzt sich auf einen Stuhl und zieht die dünne Ruthe mehrmals
durch die Hände, wodurch dieselbe zu einem starken
Stabe wird, auf den sie, ins Cabinet zurückkehrend, sich
stützt. Eine andere Geistfrau spricht von den Qualen ihres
Erdenlebens. Darauf öffnet sie ihr Kleid auf der Brust,
und es erheben sich aus derseloen lodernde Flammen. Wer
soll glauben, dass die Geister zu so komödienhaften Schaustücken
greifen werden, um uns Zeugniss von der Unsterblichkeit
der Seele zu geben?
Durch die vorgetragenen Bedenken werde ich veranlasst
anzunehmen, dass die mediunustischen Geistermateriali-
sationen nicht Erscheinungen von Geistern verstorbener
Menschen sind.
II. Die Thatsache der Seelenversetzung.
In den Berichten über Materialisationssitzungen finden
sich mancherlei Züge, welche sehr dafür sprechen, dass die
mediumistischen Materialisationen aus den Medien selber
stammen. Erklärbar werden die Erscheinungen, in den
Hauptsachen wenigstens, durch die Annahme einer Seelen-
versetzung der Medien, und Einzelnes, was dabei noch
unerklärt bleibt, wird ebenso wenig aufgeklärt, wenn man
reale Erscheinungen von Geistern annimmt.
Bevor ich auf die Sache selbst näher eingehe, scheint
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