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362 Psychische Studien. VII. Jahrg. 8. Heft. (August 1880.)
sein soll, wenn Denken, Anschauen und Wollen von Gott
nicht ausgesagt werden, wenn Gedanke und Wille im
(ewigen Gott) ungeschieden nur Eine Vollkommenheit sein
sollen. Wie ein Gott weder bewusst, noch unbewusst sein
kann, ist nicht zu begreifen, aber es ist doch wieder nicht
gerade gesagt, dass er durchaus und in jedem Sinn und
jeder Bedeutung unbewusst sei*), und so sehen wir Krause
in seiner bald gefolgten Schrift: „Das Urbild der Menschheit
" (1811) dem Gedanken der Persönlichkeit Gottes
näher getreten, inwiefern er hier Gott die (absolute) Vernunft
nennt, aus deren Macht, Weisheit und Güte Alles
stamme, der sich selbst liebevoll in allen seinen Geschöpfen
darstelle und jedes Wesen zu einem bleibenden, sprechenden
Denkmal seiner Weisheit und Güte, mache, und dessen
Auge mit Wohlgefallen auf der Welt ruhe und immer neue
Ströme des Lebens, der Liebe und der Schönheit in sie
ergiesse und alle ihre lebendigen Theile durchdringe. Gleichwohl
sucht man in der ganzen begeistert, ja enthusiastisch
geschriebenen Schrift den Ausdruck: „Persönlichkeit Gottes"
vergebens. Gott wird bezeichnet als allbeseelender Urgedanke,
als Uridee, als das eine unendliche Urwesen, als die Eine
Selbstinnigkeit, Liebe und Güte, als der unendliche ewige
Schöpfer des nach Raum und Zeit unendlichen ewigen
Weltalls, der Sache nach somit als absolute Persönlich-
lichkeit, wenn auch diese Bezeichnung, sei es unabsichtlich,
sei es absichtlich, vermieden wird. Der Standpunkt Krause's
in dieser Schrift ist nicht kritisch, sondern dogmatistisch,
und damit theosophisch, dass ihm Gott das Erste, die Mitte
und das Letzte ist. Gott zu denken und zu empfinden, ist
Krause das theuerste Kleinod des Menschen. Im Anschaun
Gottes bildet sich ihm die Wissenschaft; in ihm entspringt
sie, bleibt in ihm und kehrt zu ihm zurück. Im Gegensatz
*) Krause streift sogar in verschiedenen Wendungen hier schon an
die späteren, entschieden persönlichkeitspantheistischen (von ihm theil-
weise auch panentheistische genannt) Gedanken an, wie S. 342, 351,
353, 437, 450. Er nennt seine Lehre mit dem sogenannten Pantheismus
unharmonisch, eben doch nur, weil er nicht behaupte, dass Alles
und Jedes Gott selbst sei, vielmehr Gott als über weltliches Wesen
erkenne, wenngleich die Welt nicht ausser ihm. Gott sei der organische
Inbegriff der Vernunft (des Geistes) und der Natur, dessen
ewiges Leben sich nach innen in zwei ewigen und unendlichen Strömen
als Vernunft (Geist) und Natur erweise. Das Urwesen sei das Ewige
über beiden, das Wesentliche in beiden und beider lebensvolle Durchdringung
. Diese Lehre steht allerdings höher als jene Form des
Pantheismus, der alles Individuelle untergehen lässt, nach dem Satze
des Mephisto: „Alles, was entsteht, ist werth, dass es zu Grunde
geht." Aber eine andere Form des Pantheismus ist die damalige
Lehre Krause's dennoch.
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