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368 Psychische Studien. VII. Jahrg. 8. Heft, (\ugust 1880.)
erklärlich, dass der Geist, wenn er auch Materie ist, doch
eiue zu ätherische Materie ist, um Haare, Zähne und
Muskeln verkörpern zu können. Nur durch Vermischung
mit dem Nervengeist (Magnetismus) des Mediums, der viel
gröber ist, als der Magnetismus des entkörperten Geistes,
kann das Material zu den Materialisationen abgegeben
werden, und zwar nmss, wie es scheint, die mediumistische
Seele ganz spezifische körnige Eigenschaften besitzen, die
eben nur den Materialisations-Medien zukommen. Aber
auch dann muss dieses, veranlasst durch seinen kontrol-
lirenden Geist, durch Uebung erst gelernt haben, sich
seines Magnetismus zu entäussern. Diese Entäasserung
kann aber nicht durch eigene Kraft geschehen, sondern
immer nur durch vielleicht eine Art von magnetisirender
Manipulation der kontroliirenden Intelligenz.
Für die Möglichkeit der Seelenversetzung braucht
man kein Medium zu sein. Es gibt ja Tausende von beglaubigten
Beispielen solcher Seelenversetzungen, und wenn
solche bei Lebzeiten vor sich gehen können, um so viel
mehr bei Verstorbenen, besonders wenn das Material einer
andern noch lebenden Seele dazu verwendet werden kann.
Ein Mitglied meiner Familie (Medium) fühlt und sieht
sehr häufig solche Seelenversetzungen noch Lebender, spricht
auch mit ihnen, und merkwürdiger Weise sind die Aussagen
solcher Erscheinungen viel richtiger, als die Aussagen
der Geister aus dem Jenseits. So z. ß. ist vor einem
Jahre sehr häufig eine Nichte, die kurz vorher nach
Amerika gereist war, aber kein Medium, nicht einmal
Spiritualistin ist, dem Medium erschienen und hat ausgesagt
, dass und was sie ihren Eltern geschrieben habe.
Das erwähnte Medium wusste oft mit wörtlicher Angabe
den Inhalt des Briefes zu sagen, ehe der Brief da
war. Dieses geistige Erscheinen unserer Nichte geschah
aber nur im Anfange, so lange ihre Heimweh-Gedanken
sich zu uns sehnten; mit dem Schwinden des Heimwehes
wurde sie auch vom Medium immer seltener gesehen.
Merkwürdig war auch, dass sie meist immer Morgens in
der Frühe zwischen 5 und 6 Uhr erschien. Diese Zeit
entspricht nämlich der in Cleveland im Staate Ohio (wohin
sich die Nichte begab) bestehenden Zeit von 12 Uhr
Nachts. Es ist demnach anzunehmen, dass der Geist im
Traume den schlafenden Körper verlässt und sich dort
konzentiren kann, wo seine Gedanken sein wollen. Das
Medium hat diesen Geist einmal gefragt: „Weisst Du beim
Erwachen, dass Dein Geist bei uns war?" — und erhielt
die Antwort: — „In diesem Augenblicke weiss mein Geist,
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