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408 Psychische Studien. YIL Jahrg. 9. Heft. (September 1880.)
Angebliche Nachrichten von Allan Kardec.*)
In einer zu Dresden am 6. Juni dieses Jahres stattgefundenen
spiritualistisclien Sitzung, in welcher durch ein
ausgezeichnetes Universal- (d. h. Schreib-, Sprech-, Test- und
Materialisations-) Medium, Frau //"**) vorzügliche Materia-
lisations- und andere physikalische Erscheinungen erlangt
wurden, versuchten die Theilnehmcr auch folgendes Experiment
: Es ward eine Schiefertafel von der Art, wie Herr
Prof. Zöllner in ähnlicher Absicht mit Mr. Stade zu benutzen
pflegte, mit einem darauf gelegten Stift vom Medium
mit der linken Hand an die Tischplatte von unten derartig
festangedrückt, dass der Stift zwischen letzterer und der
inneren Schieferplatte eingeschlossen war. Sofort begann
es auf dieser zu schreiben, und als man nach den erfolgten
drei Klopflauten die Tafel hervorzog, war auf der von der
Tischplatte verdeckt gewesenen Fläche zu lesen: —
„Gott zum Gruss, geliebte Brüder.
Alan (sie!) Kardec"
Bei Lesung dieses hochverehrten Namens fühlte sich
der mitanwesende Herr Wilhelm Besser aus Leipzig veranlasst
, an Alan Kardec eine Frage über seine jetzige An»
schauungsweise zu richten. Sofort kam die schreibmedia-
nime Mittheilung: —
*) Wir theilen folgende spiritische Kundgebungen als Probe dessen
mit, was in den verschiedenen spiritistischen Cirkeln von angeblich
hohen Geistern erhalten wird, ohne jedoch für die Identität der
letzteren eine Bürgschaft übernehmen zu wollen. Dergleichen Manifestationen
, welche auf blos speculativen Meinungen und Ansichten
beruhen, sind meist weit weniger allgemein überzeugend und zwingend,
als sog. physikalische Thatsachen, welche wenigstens handgreifliche
Beweise, wie die Z<Ä<?r'schen Knoten und Verschlingungen,
hinterlassen, über welche zwar ebenfalls noch, je nach dem verschiedenen
Bildungsstandpunkte der Beobachter, hinsichtlich ihrer Erklärung
Meinungsdilerenzen entstehen, die jedoch das Seltsame der einmal
genau beobachteten Grundthatsache bestehen lassen müssen. Wollten
wir z. B. auch des angeblichen Allan Kardec Bekenntniss, dass er
jetzt anders denke, als in seinem Erdenleben, für echt erklären, seine
Quasi-Vertreter in Paris würden uns dennoch ein ganz anderes „Licht"
über ihn aufzustecken wissen. Warum also über fruchtlose Dinge
streiten — warum die Geister eines Petrus und Paulus als solche
kritisiren wollen? Wir erkennen an, dass geistige Kräfte sich wenigstens
unter diesen Namen kundgeben ; — müssten aber behufs Anerkennung
ihrer wirklichen Identität ganz andere schlagende Beweise
von ihnen erfordern, als sie uns hier mit blossen, ihrem Charakter
und ihrer Rolle ähnlich klingenden Worten vorführen. — Die Red.
**) Name und Adresse der Dame, welche nicht öffentlich genannt
zu werden wünscht, ist bei dem Unterzeichneten durch gefällige
Vermittelung der Redaction aut besonderen Wunsch zu erfahren. —
Emil Völkel
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