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462 Psychische Studien. VII. Jahrg. 10. Heft. (October 1880.)
dem Gehalte des endlichen Lebens der endlichen "Wesen
nach in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Die Unendlichkeit
der Zeit ist an und mit der Unendlichkeit des
Lebens, diese aber an und mit der Unendlichkeit des in
der Zeit zu verwirklichenden Ewigwesentlichen gesetzt. Der
Eine stets fliessende Verflusspunkt aber der Zeit gilt für
das Eine Leben Gottes und aller Wesen, durch den ganzen
Gliedbau (Organismus) der Wesen, durch die ganze Welt.
Das Eine Leben aber, welches in dieser Einen unendlichen
Gegenwart sich entfaltet, ist an sich das Leben Gottes, "als
des Einen, selben und ganzen Wesens, in sich enthaltend
das Leben aller Gott untergeordneten Wesen; so dass das
Eine Leben Gottes in sich enthält: Das Urleben Gottes
über dem Leben aller in ihrer Art unendlichen Wesen in
Gott, d. i. das Leben Gottes — als — Urwesens, dann das
Leben aller in Gott seienden, in ihrer Art endlichen Wesen
selbst, endlich das Vereinleben Gottes als des urlebenden
Ur-Wesens mit dem Leben aller Seiner innern Wesen.
Da nun jedes Wesen in Gott einmal nur und allein-
eigenthümlich ist, so ist auch das Leben jedes Wesens in
Gott nur einmal und eigenthümlich. Wenn wir alles das,
was an sich selbst göttliche Wesenheit ist und hat, würdig
nennen, so hat also das Leben eines jeden endlichen Wesens
Selbstwürde, und es ist zunächst um sein selbst willen da.
Also das Leben der Natur ist selbstwürdig, ebenso auch
das Leben des Geistes und das Leben der Menschheit.
Alle Gebiete des Lebens sind an sich selbst würdig. Keines
ist bloss für das andere da, sondern jedes zuerst für sich
selbst. Und eben darin erweist sich jedes besondere Leben
als Gott ähnlich, als dem Leben Gottes selbst ähnlich. Das
Leben Gottes — als — Urwesens ist von unbedingter Würde
an sich und zwar von höherer Würde als das Leben der
Vernunft, der Natur und des Vereinlebens beider. Alle
bestimmten Gebiete des Lebens und alle, bestimmten Zeiten
des Lebens miteinander in vorbestimmter Uebereinstimmung,
sie sind alle für einander bestimmt; jedes endliche Wesen
kann sein Leben nur in und durch das Ganze des Lebens
vollenden, ein einzelnes Gebiet und eine einzelne Theilzeit
des Lebens fordert alle andern, Eines ist dem Andern
Mittel der selbständigen Vollendung des Andern, und alle
Theile des Lebens aller Wesen sind bestimmt und fähig,
alle mit allen harmonisch vereint zu werden. So hat auch
das Leben in jedem Lebenalter Wesenheit und Würde für
sich, aber es hat zugleich auch Zweckmässigkeit für das
höherzubildende folgende Lebenalter. Durch die allgemeine
wechselseitige Zweckmässigkeit und folglich Nützlichkeit
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