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4C6 Fsyeliische Studien. VII. Jahrg. 10. lieft. (October 1830.)
Verklärung zeugt, also wird auch jede Tlieilmensehlieit,
welelie ihr abnehmendes Leben gottähnlich, gottergeben
und gottvereint vollführt, in eigener Schönheit und Würde
stehen. Die greise Menschheit wird die ehrwürdigste sein
und ihr letzter sterbender Greis der ehrwürdigste der
Menschen.
Jede Tlieilmensehlieit im Weltall, wenn sie sich ausgelebt
hat, vergeht als diese Gesellschaft von einzelnen
Menschen. Aber die Menschheit des Weltall selbst bleibt
unwandelbar in jedem Momente dieselbe, in sich entfaltend
unendlich viele Theilmenschheiten, von welchen in jedem
Zeitmomente unendlich viele auf einer jeden der Lebenentwickelungstufen
stehen; und auch jedes endliche Vernunftwesen
, welches soeben als Mitglied irgend einer Tiieil-
menschheit lebt, sowie wir hier auf Erden, jedes einzelne
Vernunft Individuum überlebt diese und jede Theilmensch-
heit, als diese Gesellschaft auf diesem Himmelkörper;
nur innerhalb der Einen Menschheit des Weltall bleibt
auch das Verhältniss des Lebens eines jeden Einzelmenschen
desselben in der unendlichen Gegenwart der Einen Zeit.*)
Wenn die Philosophie der Geschichte Krause's, in welcher
die Unsterblichkeitsidee eine so hohe, durchgreifende
Stelle einnimmt, auch nur ein philosophisches Gedicht oder
eine philosophische Ahnung wäre, so würde es unseres
Wissens wenigstens das hervorragendste sein, welches je
gedichtet worden ist.**) üb sie mehr als diess, ob sie in
ihren Hauptfragen wissenschaftlich haltbar und wahr ist,
soll hier der Prüfung der berufensten Forscher unterstellt
bleiben. Referent schliefest diese aus den Quellen geschöpfte
Darlegung mit einer charakteristischen Stelle aus den reichhaltigen
Nachträgen zur Lebenlehre und Geschichtphilosophie
Krause's und einem Zusatz zu derselben. Die Stelle
lautet: „Gott lebt, Gott sorgt immer: nicht Gelängnisse,
Polterbänke, Scheiterhaufen, nicht die Gewalt des Eisens,
nicht Scharfrichter und Kanonen tragen im Leben der
Menschheit den Sieg davon, sondern die ewige, stille, übermächtige
Wahrheit Gottes (Gottes Vernunft), der gottergebene
, selbstverzichtende, fromme, reingute Sinn, der in
Gottinnigkeit wuizelnde reingute Wille. Der Sieg der Wahrheit
ähnelt dem Sieg der aufgehenden Sonne über die Nacht,
durch Dämmerung und Morgenroth hindurch, der Wärme
*) Lebenlehre und Philosophie der Geschichte, S. 393 - 398.
**) Hier kann noch hingewiesen werden auf die hochinteressante
Broschüre, die erst ganz kürzlich erschienen ist: Karl Christian Fried'
rieh krause. Ein Lebensbild nach Briefen dargestellt von A. Proksch,
Leipzig, Grunow, 1880.
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