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492 Psychische Studien. ¥11. Jahrg 11. Heft. (November 1880.)
seit 7 Jahren erblindeten Vater, den Obermedizinalrath Dr.
Friedr. Willi. Hahn in Stuttgart, der ein sehr tüchtiger Arzt
und Operateur und wissenschaftlich vielseitig gebildeter, dabei
sehr frommer Mann war, für den Spiritualismus zu inter-
essiren, fand jedoch bei ihm, der sich mit der Unsterblichkeits
-Lehre sehr eifrig beschäftigte und besonders der von
dem unter dem Namen „Kermng" bekannten Schriftsteller
Krebs vertretenen Anschauung huldigte, eine entschiedene
Opposition gegen den Glauben, dass unsere abgeschiedenen
Geister zu uns zurückkehren, sich uns manifesteren und mit
uns in verständlichen Verkehr treten können.
Unsere Controverse fand ihren Abschluss darin, dass
ich meinem Vater vorschlug, ein in verschiedenen Sprachen
gleichlautendes „Stichwort" niederzuschreiben, mir dasselbe
in einem wohlversiegelten Briefcouvert zur Aufbewahrung
zu übergeben, und er mir versprach, nach seinem Tode
dieses Stichwort durch ein spiritistisches Medium mir als
untrüglichen Beweis der Identität seines Geistes und der
Möglichkeit des Verkehrs zwischen uns wiedergeben zu
wollen, wenn ihm diess nach seinem Tode überhaupt möglich
und „erlaubt" sei.
Ich habe ihm meinerseits versprechen müssen, ihn mit
meinen Erfahrungen und Erlebnissen spiritueller Manifestationen
, die er Alle als Täuschungen bezeichnete, nicht
weiter belästigen, mich selbst vorerst auch nicht weiter damit
befassen, und das fragliche Brief-Couvert nicht eher
eröffnen zu wollen, als bis mir ein Versuch geglückt sei,
durch ein Medium eine Kundgebung von seinem Geiste mit
einem Stichwort zu erhalten.
Bald darauf — am 8. Mai 1874 — starb mein Vater,
nachdem ich ihn zu\or wiederholt an jenes Versprechen
erinnert habe; es ist mir aber bis jetzt wohl desshalb nicht
gelungen, eine zuverlässige Kundgebung vom Geiste meines
Vaters zu erhalten, weil ich keinerlei Gelegenheit fand, mit
einem geeigneten Medium hier in Deutschland in persönliche
Berührung zu kommen, und meine schriftlichen Versuche
mit amerikanischen Medien fehlgeschlagen sind.
Mehrere Monate nach dem Tode meines Vaters habe
ich einen an dessen Geist gerichteten Brief in deutscher
Sprache, worin ich ihn bat, mir nach Verabredung das versiegelt
hinterlassene Stichwort wiederzugeben, meinem in
New York lebenden Sohne zugeschickt, mit dem Auftrage,
diesen (versiegelten) Brief dem Medium Dr. /. v. Mansfield
in New York zur Beantwortung vorzulegen. Die Spezialität
dieses Mediums ist bekanntlich die angeblich spiritistische
Beantwortung versiegelter Briefe oder niedergeschriebener,
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