http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1880/0514
506 Psychische Studien. VII Jahrg. 11. Heft. (November lb80.)
G. W, Friedrich HegePs Stellung zur Unsterblichkeitslehre
.
Von
Prof. Dr. Franz Hoffmann.
1.
Begets Philosophie hatte in dem dritten Jahrzehnt
des laufenden Jahrhunderte bis in das vierte hinein von
Berlin aus eine hervorragende, beherrschende Stellung errungen
. Bald nach dem lH'M erfolgten Tode Hegets spaltete
sich seine Schule in zwei Flügel, einen rechten und
einen linken, zwischen welchen man eine Art Mitte fCen-
trum) unterschied, später sogar zwei, eine des rechten und
eine des linken Flügels — Rosenkranz und Michelet Die
Differenzen beider Flügel concentrhten sich in den Fragen
über Persönlichkeit Gottes und individuelle Unsterblichkeit
der geistigen Individuen, woran sich dann eine grosse Reihe
weiterer Differenzen anschloss, indem jeder der beiden Flügel
in eine Meine Nuancirungen auseinanderging. Vor Allem
war die Frage, ob im Heget'sehen System jene zwei Fragen
bejahend oder verneinend beantwortet worden seien. Darüber
waien beide Flügel der Schule einverstanden, dass
Hegets Philosophie Idealismus sei. Die Frage war nur,
wie dieser Idealismus zu verstehen sei, ob als persönlich-
keitspantheistischer oder ob a!s rein idealistisch-panthe-
istischer, Denn rein theistisch konnte er in keinem Falle
sein, da die Verwerfung des reinen Schöpfungsbegriffs offenkundig
war.
War nun die ans der entgegengesetzten Beantwortung
dieser Fragen entsprungene Spaltung der Schule möglich,
ohne dass in den Werken Hegets Veranlassungen gegeben
gewesen wären, die zu entgegengesetzten Auffassungen und
Auslegungen führen konnten? Diess ist um so weniger zu
denken, als die meisten ausser der Hegetschen Schule
stehenden G-eschiehtschreiber der Philosophie ein Bild der
Hegetschen Lehre entworfen haben, welches weit mehr mit
der Auslegung des linken Flügels stimmt, als mit der des
rechten Flügels,*) ohne dass sie darum den Lehren der
*) Vgl. die Werke über Geschichte der Philosophie von dem
altem Sigwart, E. Reinhold, G. Ritter, Ulrk% Krause, Harms, Fortjage,
TJeberrveg: Karl Biedermann deutet den Ursprung der Spaltung der
Hegel'soheri Schule kurz an in seinem Werke: Die deutsche Philosophie
von Kant bis auf unsere Zeit, II, 453. Vergl. Michelet: Entwicklungsgeschichte
der neuesten deutschen Philosophie, S. 804.
Hayn; Hegel und seine Zeit, S. 459, 462.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1880/0514