http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1880/0569
Prof. Hoffmann: Hegel's Stellung zur Ünsterblichkeitslehre. 561
Es scheint, dass es dem Weltgeiste jetzt gelungen ist, alles
fremde gegenständliche Wesen sich abzuthun und endlich
sich als absoluten Geist zu erfassen, und was ihm gegenständlich
wird, aus sich zu erzeugen, und es mit Ruhe
dagegen, in seiner Gewalt zu behalten. Der Kampf des
endlichen Selbstbewusstseins mit dem absoluten Selbstbe-
wusstsein, das jenem ausser ihm erschienen, hört auf. Das
endliche Selbstbewusstsein hat aufgehört, endliches zu sein;
und dadurch andererseits das absolute Selbstbewusstsein
die Wirklichkeit erhalten, deren es vorher entbehrte. Es ist
die ganze bisherige Weltgeschichte überhaupt und die Geschichte
der Philosophie insbesondere, welche nur diesen
Kampf darstellt und da an ihrem Ziele zu sein scheint,
wo diess absolute Selbstbewusstsein, dessen Vorstellung sie
hat, aufgehört hat, ein Fremdes zu sein, wo also der Geist
als Geist wirklich ist. Denn er ist diess nur, indem er sich
selbst als absoluter Geist weiss, und diess weiss er in der
Wissenschaft . . . Nur in der Wissenschaft weiss er von
sich als absolutem Geist, und diess Wissen allein, der Geist,
ist seine wahrhafte Existenz."*)
Fragen wir nun, welche Stellung Hegel sich zu der
Ünsterblichkeitslehre gegeben habe, so erleichtert uns Göschel
die Beantwortung dieser Frage durch Hinweisung auf eine
ganze Reihe von Stellen in den Werken hegets, die jene
Frage betreffen.
Zunächst verneint Hegel die Behauptung, dass die Unterschiede
(individuelle Wesen) in den Abgrund des Absoluten
zurückgeworfen würden.
Im Selbstbewusstsein, im Ich, das sich selbst denkt,
offenbart sich, sagt Hegel, die absolute, ewige Natur desselben.
„Die Unsterblichkeit der Seele ist nicht spätere Wirklichkeit
, sondern gegenwärtige Qualität; der Geist ist ewig,
also desshalb schon gegenwärtig. Durch das Erkennen ist
der Mensch unsterblich, denn nur erkennend ist er keine
sterbliche, thierische Seele, ist er die freie, reine Seele.
Der Uebergang aus dem Aeusseren der Erscheinung in
das Innere ist die Gewissheit des Subjekts von der unendlichen
Wesenhaftigkeit des Subjektes in sich selbst, sich
unendlich wissend, sich ewig, unsterblich wissend.
*) Werke JBLetjets XV, 689-690.
(Fortsetzung folgt.)
Psychische Studien. December 1880.
36
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1880/0569