http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1881/0193
I
Kurze Notizen, 185
Sie können die Thatsachen selbst nicht mehr leugnen.
„Allein, es ist nicht immer Betrug," — erklärt der erfahrene
Herr Kaplan, nachdem er den Spiritisten Home
als Betrüger hinzustellen versucht hat, während derselbe,
wenn er als ein solcher wirklich verurtheilt worden wäre,
sicher nicht eine Dame der höchsten Aristokratie zur Gemahlin
bekommen hätte. Aber davon weiss man entweder
nichts, oder will man absichtlich nichts wissen. Besonders
in der Literatur ist Sr. Ehrwürden schlecht bewandert.
Er kennt nur das, was der katholische Prof. Math Schneid
in seiner neuesten Schrift aus derselben erwähnt, und was
er sonst noch aus seinen theologischen Lehrbüchern und
aus Zeitungen geschöpft hat. So sagt er z. B.: „Erst in
jüngster Zeit hat ein Oollegium von gelehrten Fachmännern
in Breslau das geheimnissvolle Dunkel, welches diese Vorgänge
umgab, cinigermaassen aufgehellt.44 Der Kenner muss
über solche Naivetät unwillkürlich lächeln. Nun noch eine
Probe der Logik des Herrn Kaplans! Im Jahre 1841 hat
die heilige Pönitentarie in Rom über einen Fall an den
Bischof von Lausanne und Genf entschieden: „Der Gebrauch
des Magnetismus in dem angegebenen Falle ist nicht
erlaubt.44 (Vgl. Gury, tract. de praeceptis Decalogi p. 109.)
„Aber warum denn nicht?" erkühnt sich der Herr Kaplan
zu fragen. „Den Grund dieser Entscheidung fügt die
kirchliche Behörde zwar nicht hinzu,44 gesteht er kleinlaut;
„derselbe lässt sich aber aus dem, was wir vorausgeschickt
haben, leicht ermitteln; es können sogar mehrere sein. . . .
Sind daher wirklich Erscheinungen dabei zu Tage getreten,
welche durchaus in keinem erkennbaren natürlichen Zusammenhange
mit der Ursache stehen und die Leistungsfähigkeit
der Menschen überhaupt übersteigen, so können
sie nur ein "Werk Satans sein." Ganz dasselbe
Baisonnement Hesse sich folglich zuerst auf fast alle kirchlichen
Wunder selbst anwenden. Aber ist diese Schlussfolgerung
des Herrn Kaplans denn auch wirklich logisch,
und wenn, auch von der unfehlbaren Kirche approbirt?
Seit 1841 ist es lange her, und kein unfehlbarer Papst hat
inzwischen selbst darüber eine Entscheidung gefällt. Dem
Herrn Kaplan ist kein Gläubiger zu glauben verpflichtet,
wenn er nur solche selbsteigene Schlussfolgerungen zieht.
Nicht einmal den von ihm citirten Fall kann er genau dem
Teufel zuschreiben, wio will er es denn bei anderen Fällen
im Stande sein? Und wenn er meint: „Was sind also jene
Geistererscheinungen Anderes, als ein von Gott zugelassenes
Spiel der Dämonen? Sie können eben nichts Anderes sein:
sie sind es also wirklich" — so liegt sein Oirkelschluss
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1881/0193