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264 Psychische Studien. VIII. Jahrg 6. Heft. (Juni 1881).
was dann Viele zur unbeschränkten Leugnung der Letzteren
veranlasst. Aber das Dasein einer unsichtbaren, übersinnlichen
Welt ist über allen Zweifel erhaben, und vielleicht
bekennen sich doch auch noch manche Gegner bei genauerer
Erkenntniss zu dieser Ansicht. Ich leugne durchaus nicht
das Bestehen unendlich vielen Aberglaubens, d. h. Glaubens
an Dinge, zwischen denen absolut kein Causalverband
besteht, wobei nur wieder die Frage entsteht, ob wir alle
Causalverbände kennen? So weit ich entfernt bin, einer
schwindelhaften Ausbeutung entschiedenen Aberglaubens
das "Wort zu reden, so sehr muss ich aus Ueberzeugung
an der Existenz mystischer Kräfte und Existenzen festhalten
, welche der flache Rationalismus so hartnäckig bekämpft
.
Weil jetzt, in dieser Epoche der Geschichte, Vieles in
den Hintergrund getreten ist, so glauben die Menschen, es
existire nicht mehr, habe auch nie existirt, und befestigen
sich durch beharrliches Leugnen in dieser falschen Ueberzeugung
. Es waren aber in der Vergangenheit ungezählte
Thiere und Pflanzen da, die jetzt auf der Erde fehlen, weil
die Lebensbedingungen sich geändert haben. Immerfort hat
man aufs neue mit der falschen Behauptung zu kämpfen:
„die Wunder verschwinden mit der Wissenschaft", da doch
diese niemals einen magischen Vorgang zu erklären vermocht
hat. Nicht die Wunder verschwinden mit der Wissenschaft,
sondern nur jene Phänomene, die man fälschlich für Wunder
gehalten hat, während sie doch dem System der Natur angehören
; ein wahres Wunder kann die menschliche Wissenschaft
mir constatiren, jedoch weder erzeugen noch erklären,
da es aus der geistigen Welt stammt. Unser gegenwärtiger
Organismus dient für die Wahrnehmung der sinnenfälligen
Objekte und derjenigen Wirkungen, welche durch übersinnliche
Kräfte in der Sinnenwelt veranlasst werden; der spirituelle
Organismus ist zunächst für eine jetzt unsichtbare,
jenseitige Welt bestimmt. Weil die für letztere geeigneten
Kräfte grossentheils noch latent sind, so fällt das Begreifen
des Thuns der unsichtbaren Wesen sehr schwer, und wir treffen
auf vermeintlich unlösbare Widersprüche um so häufiger, wenn
wir etwa auch mit einer trügerischen Dämonenwelt zu thun
haben. Jedenfalls herrscht auf diesem Gebiete eine gewisse
Unsicherheit und Zweideutigkeit, und die allgemeine
Anerkennung wird um so schwieriger zu erlangen sein, als
man consequenterweise und im Zusammenhang des ganzen
Systems auch das Unglaublichste und gerade dieses vorzugsweise
anzunehmen genöthigt ist, das was den gewöhnlichen
Vorstellungen an fernsten steht. Aber es ist ein Welt-
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