http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1881/0374
366 Psychische Studien. VIII. Jahrg. 8. Heft. (August 1881.)
der Erscheinungen das Was, das Wesen aller derselben ist,
kann es weder ausser ihm, noch in ihm andere Ascitäten,
also auch keine von ihm nicht determinirte Bestimmungen,
keine Selbstbestimmungen geben, also auch keine Freiheit.
Die angebliche intelligible Freiheit ist eine Erdichtung,
liegt ausser der Consequenz des Systems, ja widerspricht
ihm. Die ernstliche Annahme einer Vielheit, einer Unendlichkeit
von Aseitäten würde das Schopenhauer'sehe System
auseinander sprengen, seinen Monismus in Pluralismus verwandeln
, in eine Art blinde Willensmonadologie überführen,
etwa wie Bahnsen die Lehre Schis umzustülpen versucht hat.
Soll aber nach Sek. die Aseität aller (individuellen) Erscheinungen
die Aseität des Einen blinden Willens sein, so
kommt sie doch nur dem Einen blinden Willen, nicht aber
den Erscheinungen als solchen zu.
Schopenhauer legte es mehr darauf an, durch Schönschreibung
zu imponiren und zu überreden, als durch streng
wissenschaftliche Methode und tiefe Begründung zu überzeugen
. Hundertfach argumentirt und operirt er aus unbewiesenen
Voraussetzungen, ja sein Atheismus ist pure
Voraussetzung, die aus seinem pathologisch afficirten Ge-
müth hervorging. Er nahm Hauptlehren der Fan?sehen
Philosophie ohne Untersuchung an und baute modificirend
und verändernd auf ihnen fort, Kant mit überschwenglichen
Lobpreisungen über alle Philosophen erhöhend, weil
er in ihm die Vorbereitung, den Weg zum Atheismus erblicken
zu dürfen glaubte. Eine Prüfung seiner idealistischen
Lehren mit verdünntem Eealismus, wie seine angebliche
Widerlegung aller theoretischen Beweise für das Dasein
Gottes thut er oberflächlich ab, und seine Nachweisung, dass
die Incompetenz der Vernunft in Sachen übersinnlicher Er-
kenntniss die Incompetenz der Verneinung und Leugnung
des Uebersinnlichen einschliesse, dass also ebensowenig ein
Beweis der Nichtexistenz Gottes und des Uebersinnlichen
überhaupt als ein Beweis der Existenz Gottes möglich sei,
wurde von Sch. willkürlich und unberechtigt so grell überschritten
, dass er in seiner Kritik der Rani sehen Philosophie
Kant nur die Miene machen lässt, als sei es ihm
Ernst mit dem moralischen Glauben an Gott (Die Welt als
W. und Vorstellung I, 501, dritte Auflage), und in dem Abschnitt
der Fragmente zur Geschichte der Philosophie:
„Noch einige Erläuterungen zur iftw^schen Philosophie"
äussert, dass Kant, nachdem er durch seine Kritik der spekulativen
Theologie dieser den Todesstoss gegeben habe,
genöthigt gewesen sei, den Eindruck davon durch ein Besänftigungsmittel
, den moralischen Glauben, zu mildern,
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1881/0374