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G. v. Langsdorf: Der Gottesbegriff als geistiges Naturgesetz. 29
dere grosse Männer und Frauen durch die Rache der Menschen
zu Grunde gehen Hess, um hei den späteren Generationen
das Unrecht, das die Voreltern begangen, zum
Bewusstsein kommen zu lassen/) Und ebenso lässt die Gottheit
idiotische und verkrüppelte Kinder und noch vieles
andere, scheinbar Unrechte entstehen, damit die Menschheit
das Naturgesetz erforschen soll, wie solches für die
Zukunft zu verhüten ist. Und insofern erscheint Gott als
Naturkraft in unbegrenzter Gerechtigkeit; denn nach dieser
Gottesgerechtigkeit ist das Rachegefühl im Laufe der Zeiten
mit der zunehmenden Civilisation immer geringer geworden.
Die Todesstrafe ist in vielen Ländern abgeschafft; die zu
mehrjähriger Gefängniszstrafe verurtheilten Verbrecher gestehen
ein, dass sie es vorher in der "Welt nie so gut gehabt
hätten, und bedauern es bei der Entlassung, eine solche
liebevolle Behandlung nirgends mehr in der Welt draussen
zu finden; bei den noch unabwendbaren Kriegen ist das so
segensreiche Institut des weissen Kreuzes entstanden u. s. w.
Hätten wir, zur Zeit des kohlenstofflichen Zeitalters
unseres Planeten, dessen Leben und Treiben von einem höher
entwickelten Planeten, z. B. vom Jupiter aas, betrachten
können, wir hätten sicher die Vorstellung gehabt, dass diese
Welt von mächtig bösen Geistern regiert wird. Hätten wir
die damals vorherrschenden Parrenkräuterschichten gesehen,
die mit staunender Raschheit zu enormen Wäldern sich ausbreiteten
und dann ebenso rasch wieder zerfielen; hätten
wir die damals herrschenden giftigen Ausdünstungen, die
ständig aus der faulenden Vegetation sich entwickelten und
die eb für den Menschen unmöglich machten zu existiren,
analysiren können; hätten wir den ganzen Zustand der damaligen
Erde und ihre gewaltigen Evolutionsstürme ohne
Prophetenblick erschauen können: wir hätten sicher uns vorgestellt
, dass ein übelwollender Geist diese Erde mit seinem
Pluche belegt und an der Arbeit sei, nichts aufkommen zu
lassen, was rein, gut und schön ist. Hat aber nicht die
Wissenschaft uns belehrt, dass diese Vorarbeit eine unumgängliche
Notwendigkeit war, um die Wege zu öffnen, wodurch
später Thiere und noch später Menschen entstehen
und erhalten werden konnten? — und dass namentlich die
jetzigen so nothwendigen Kohlenminen durch diese vor Hun-
*) Auch diese edle Absicht würden wir noch für grausam unedel
gegen die unschuldig Duldenden erachten müssen. Warum sollte
Gott so Etwas direct gewollt haben? Liegt diese Ausübung derKache
nicht vielmehr aliein in der Entwidmung der menschlichen Freiheit
des Willens ? Wir werden wohl mit letzterer philosophisch mehr Ernst
machen müssen, als bisher geschehen ist. Vgl. Kurze Not. — Die Red.
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