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G. v. Langsdorff: Der Gottesbegriff als geistiges Naturgesetz, 33
Ermessen zu gemessen oder zu bereuen hat, und dass Ursache
und Wirkung im ganzen Universum nicht von einander
getrennt werden können. Sobald ein Eedner oder Schriftsteller
aber auf das materialistische Gebiet verfällt und
lehrt, dass mit dem Zerfall des Körpers auch die Seele zerfalle
, und dass jedes Jahr Tausende geboren werden, die
hinsichtlich ihrer körperlichen und geistigen Leiden unbeachtet
zu Grunde gehen, und dass nur „Einzelne berufen
sind", durch ihre Worte und Werke für Erreichung eines
bessern Daseins fortzuleben, — dann fragen wir ebenfalls:
Wo bleibt da die göttliche Gerechtigkeit? Wo bliebe da
das bewusste und intelligente Gesetz Gottes ?
Das Gesetz der Ausgleichung ist so zu verstehen, dass
derjenige, der heute unbewusst für das künftige Glück noch
Ungeborener arbeitet oder auch leidet, sehr hoch über Jenen
steht, die ohne Verdienst gemessen. Im Jenseits werden
sie sich des Guten schon bewusst werden, das sie auf Erden
gethan oder zu thun unterlassen haben.
Die aus der Ewigkeit geborene und zeitlich an einen
Körper gebundene Seele darf, auch wenn sie nicht ganz klar
ihre Beziehung zur Unsterblichkeit kennt, dennoch an die
göttliche Gerechtigkeit appelliren. Das Leben beginnt nicht
mit der Geburt in der Materie und endet auch nicht mit
dem Zerfall des materiellen Organismus. Diesen Gedanken
„geistiger Präexistenz" haben alle grossen Denker des Orients
bestimmt ausgesprochen, und auf der Wahrheit der Unzerstörbarkeit
des Geistes und seiner Auferstehung zu einem
höhern Leben haben sie das märchenhafte Gebäude der —
Seeii nwanderung errichtet und sich vorgestellt, dass die
Seele, im untern Thierreiche beginnend, durch Reinigung
aufwärts steigt, während die Philosophen des klassischen
Alterthums (Pythagoras, Plato) die Theorie der „Versetzung
der Seele" (Metempsychosis) aus einem Leibe in einen andern
gelehrt haben.
Diese Theorien sind zwar auf einem Felsen unangreifbarer
Wahrheiten aufgebaut, aber einige Theile des Baues
sind ungesund, hinfällig und widersprechen der Ordnung in
der Natur. Die Natur macht nie einen wirklichen Schritt
rückwärts, und Transmigration schliesst den Begriff von
Betrogression in sich, da ja jedes Thier eine um so und so
viel Grade niedrigere Menschenform ist, und anderseits der
Geist höher als irgend eine Form steht. — Form wird aber
durch Geist erzeugt in üebereinstimmung mit der Fähigkeit,
die Materie zu kontroliren. Die menschliche Form ist weit
höher organisirt, als die Form irgend eines anderen irdischen
Wesens, und demzufolge sind auch seine Fähigkeiten höher
Psyohisohe Studien. Januar 1882» 2
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