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50 Psychische Studien. IX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1882.)
mich unterrichteten, habe ich aus eigenem, freiem Antriebe,
selbstständig und privatim noch die philsophischen, ethischen
und kabbalististischen Werke eines Maimonides, Jehuda
Halervij Iben Esra, Iben Gabirol, Iben Pakuda, Eroma, Joseph
Albo, Cordover Oy M. Ch. Luzatto etc. für mich fleissig studirt.
Auch habe ich als Jüngling von 15 Jahren, während welcher
Zeit leider mein Vater gestorben, viel Neigung zur Poesie
eines Wessely, Lebensohn, Gottlober gehabt, so dass ich schon
anfing, viele kleine poetische Versuche selbst zu machen
und in hebräischen Zeitschriften zu veröffentlichen. Sodann
besuchte ich verschiedene sogenannte Volksheilige (Zaddikim,
d. h. Gerechte) in Begleitung ihrer Anhänger (Chassidim, d. h.
Fromme) in Polen und Eussland (Kotzk, Karlin etc.). In
der alten und neuen hebräischen Literatur habe ich stets
ununterbrochen eifrige Studien gemacht, und im 19. Lebensjahre
habe ich erst angefangen, moderne Sprachen und
profane Wissenschaft zu betreiben. Obgleich frühzeitig
verheirathet, bin ich dessen ungeachtet in die Rabbinerschule
eingetreten. Nach der Absolvirung derselben wurde
mir sogleich eine Rabbiner - Stelle in meinem Heimathsort
Dubno angeboten, welche ich aber ablehnte, weil ich zur
grösseren Vervollkommnung in den orientalischen Sprachen
mich erst zuvor noch nach St. Petersburg, woselbst die
meiste Gelegenheit wegen der Universität dazu vorhanden
war, begeben wollte.
Nachdem ich in der Residenzstadt die genannten
Sprachen und dazu gehörigen Gegenstände mit gutem
Erfolge absolvirt. und auf die gestellte Preis-Aufgabe:
„Kritische Abhandlung über die Parallelstellen
des A. T. in Beachtung der alten Uebersetzungen
Septuaginta, Vulgata, Peschito etc. und Paleo-
graphie der Semitischen Sprachen" meiner eingereichten
Arbeit die goldene Medaille als Prämie erhalten hatte,
kam ich durch Fügung des Schicksais nach Odessa, wo
ich als Vice - Rabbiner ca. sechs Jahre lang fungirt habe.
Zu gleicher Zeit war ich auch Mitarbeiter von verschiedenen
Zeitungen und Journalen; habe die Geschichte Russlands
(III Bände, Warschau 1875), so wie einzelne Broschüren
und Oanzelpredigten in russischer Sprache veröffentlicht
*). Während meiner Rabbinatsthätigkeit habe ich
*) Für die „Geschichte Russlands" habe ich eine bedeutende
Geldprämie von der Petersburger Gesellschaft zur Verbreitung der
Autklärung unter den Juden in Kussland, sowie vom seligen Kaiser
Alexander II. einen Brillanten-King erhalten. Von demselben und
von Sr. Majestät dem jetzigen Kaiser habe ich aus der Zeit, da Er
noch Thronfolger war? für meine Fredigten und andere litterarische
Arbeiten einige schmeichelhafte Dankbriefe in Händen. — Verf.
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