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T. W. Hermann: Eine Episode aus meinen Erlebnissen eto. 61
die von den Geistern mitzutheilende Botschaft in grosser
leuchtender Schrift zu sehen vorgab, (manchmal wurden ihr
auch die nachzusprechenden Worte in's Ohr geflüstert). —
Schliesslich Trance - Zustand mit vollkommener Controlle,
also Besitzergreifung von Seiten des Geistes gewöhnlich
vom ganzen Organismus (im Falle einer weiblichen Controlle),
oder nur von den Sprachorganen (im Falle einer männlichen
Controlle) und entsprechender Veränderung nicht nur der
Stimme, sondern des ganzen Aussehens, Wesens und Benehmens
des Mediums; besonders wenn Irma, die Jugendfreundin des
Mediums und ihre stete, liebevolle Begleiterin, Beschützerin
und Rathgeberin, vom Organismus der Md. R. Besitz ergreift.
Frau R. ist Mitte der Dreissiger Jahre; in diesen Augenblicken
scheint sie, was Ton und Cadence der Stimme,
Lebhaftigkeit der Gesten und den ganzen Habitus anbetrifft
, wirklich nur das Alter zu haben, was Irma drüben
nach unseren irdischen Begriffen zu haben scheint, —
18 Jahre, ein Alter, das alle weiblichen Geister in Irmas
Sphäre zu haben, während die männlichen Geister im
blühendsten Jünglings - Alter zu stehen scheinen: sie sagt,
die Alten werden nach mehr oder weniger langer Zeit
wieder jung, und die Kinder wachsen, bis sie auch dies normale
Alter erreicht haben, (eine Aussage, die ja tausendfach
noch von anderen sich manifestirenden Intelligenzen gemacht
worden ist). So lange die Phase der sog. physikalischen
Phänomene gedauert hat, ist die Dame trotz ihrer
anstrengenden Tages-Arbeit und trotz des Umstandes, dass
sie durch ihre mediumistische Thätigkeit schrecklich angegriffen
wird und, wie es ja bei den meisten Sensitiven der
Fall ist, nach einer interessanten Sitzung mehr einer
wandelnden Leiche, als einer lebenslustigen Pariserin gleicht,
stets bereit gewesen, in unseren allwöchentlich stattfindenden
Seancen, zu welchen inner- und ausserhalb der Bewegung
stehende Personen hinzugezogen wurden, die gewiss auch
ihr Schärflein zur Verbreitung unserer schönen Lehre beigetragen
haben mögen, als Medium zu fungiren. Die Dame
war zu gleicher Zeit die« Gastgeberin, ein Umstand, der
jedenfalls sehr viel dazu beigetragen hat, dass die in den
vom Medium bewohnten Räumlichkeiten stattfindenden Phänomene
immer einen überaus gemüthlichen, innigen, harmonischen
Anstrich hatten, wovon das Gegentheil der Fall
war, sobald die Sitzungen in fremder Wohnung abgehalten
wurden; ein Umstand, der vorzugsweise Md. R. bestimmte,
nur Gäste bei sich zu empfangen und nicht der Gast Anderer
zu sein» Ich sage: vorzugsweise, denn auch rein sanitätliche
Rücksichten waren im Spiel.
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