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80 Psychische Studien, IX. Jahrg. 2. Heft. (Februar 1882.)
Armen benutzt und sich durch dieselben bereichert; er
baut sich eine palastartige Wohnung, fährt in stolzen
Karossen in die nobelsten Gesellschaften, erfreut sich seiner
guten Gesundheit und erscheint in seinem Gewissen ganz
ruhig zu sein. Er ist nach menschlicher Einsicht, was man
einen glücklichen Menschen nennt, und wird beneidet, geachtet
, gesucht und vor Anderen ausgezeichnet. Allein die
Sache ist, beim spirituellen Licht betrachtet, doch ganz
anders; denn schliesslich kommt auch zu ihm der Todesengel
und verlangt seine Seele. Der Körper wird wider
Willen verlassen, aber der Geist kann sich nicht von der
Erde trennen, sondern, angezogen durch irdische Gefühle,
wandelt er auf ihr herum, in Mitten der irdischen Vergnügungen
; als „Geist" geht er in seiner Behausung um,
ist aber blind für die weltlichen Farben, taub im Bereich
der Töne, allein in der sich drängenden Menge; denn sein
spiritueller Körper ist umgeformt oder vielmehr missformt.
Er möchte gern physisch eingreifen, aber er kann nicht;
er möchte gern sprechen und fragen, aber Niemand hört
ihn. Er hat zwar, was er liebt — Gold, aber es kann ihm
jetzt keinen Nutzen bringen. Das, was ihm allein von
Nutzen wäre, sind geistige und moralische Schönheiten;
aber diese ziehen ihn nicht an. Schrecklicher Zustand!
Durch seinen Irrthum zum Wahnsinn gesteigert, geht er
als unglücklicher Geist auf der Erde herum, die Ruhe
suchend, sie aber nirgends findend, die gänzliche Auflösung
wünschend, aber das Naturgesetz göttlicher Gerechtigkeit
nicht ändern könnend, bis end ich sein Gewissen mächtig
zu schlagen anfängt und er schliesslich sehnsüchtigst wünscht,
dass etwas geschehen möge, wodurch die Menschen von den
Folgen seiner irdischen Laufbahn befreit werden könnten. —
Körper. Hienieden zwingen uns schon die irdischen, weit weniger vollkommenen
Verhältnisse zur treien Stellungnahme gegen herrschende
Sitte und Gesetz: —warum sollte es im reineren Geisterleben anders
sein? Jeder Ungehorsam und jeder Verstoss rächt sich hier wie dort.
Das Gewissen ist innerlich und braucht keine weiteren sinnlichen
Eindrücke, um dessen gewiss zu sein oder zu werden, was gut und
recht ist. — Wieso aber gewisse Medien zu solchen Reflexionen oder Geisteroffenbarungen
kommen, welche Bände ähnlicher Geschichten wie die
folgende enthalten, ist ein eigenes Kapitel für sich, welches schon
mehr ins Gebiet der „Psychiatüe" gehört. Hier ist etwas faul im
Reiche der mediumistischen Ciikel und Geister. Wir liaben luder
viel zu viel geistige Verbiecherbiographien, welche uns ebenso wenig
sittlich fördern als irdische Criminalnovellen, und viel zu wenig wahre
spirite Kundgebungen, welche sich die höheren geistigen Probleme
eines edleren Fühlers, Denkens und Wollens zum Vorwurf nehmen.
Wo bleibt da die Selbstkritik der Geister und Cirkel in Bezug auf
Druckreifes? Wir üben nicht Personen-, sondern Sachkritik.
Gr. C. W*
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