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G. v. Langsdorf?: Der Gottesbegriff als geistiges Naturgesetz. 81
Er selbst kann zwar noch keine Botschaft senden, ausser
er findet ein sehr sensitives Medium; — aber er kann auf
der Erde wandeln, und langsam und oft mit Schmerzen
fängt er an, gut zu machen, was er Übels geth tn. Endlich
findet er einen Organismus, durch den er vielleicht schwach
einen Gedanken ausführen oder eine That verhindern kann *).
Dadurch erhält er nun einen Schimmer von Licht, und
nach und nach gelangt er zu dem Punkte, wo er Freude
daran findet, für Andere zu arbeiten, statt wie auf
Erden nur für sich»
Die ihn umgebende dunkle Hölle schwindet, und nun
sieht er diejenigen, durch die er sich auf Erden bereichert
hat. Er vernimmt nun auch die Wahrheit, dass Jene durch
ihr Leiden und Dulden an Seelenreinheit gewonnen haben,
denn sie zeigen im Jenseits keinen ernstlichen Groll und
Hass gegen ihn. Es wird Freundschaft geschlossen zwischen
Verfolger und Verfolgten, und beide sehen nun, dass sie
nöthig waren, sich gegenseitig den Weg zu ebnen, der zur
Gerechtigkeit und Liebe führt.
Es ist in der That auch von der Weisheit Gottes dafür
gesorgt, dass Keiner seinem Nebenmenschen in Wirklichkeit
Schaden zufügen kann. Die Gottes-Weisheit und
-Kraft, wodurch Alles regiert wird, musste nothwendiger
Weise Alles voraussehen und hat auch für Alles eine Abhilfe
getroffen. Dies sichert uns auch gegen jedes nutzlose
Missgeschick, hält uns aber nicht ab, nach unserem individuellen
Urtheile entgegengesetzt zu handeln; aber in diesem
Falle hat dann auch Jeder seine eigene Bürde zu tragen,
und wer Unrecht thut, hat dafür auch im zukünftigen Leben
die gerechte Strafe aaszuhalten; während die Opfer, die
unschuldig gelitten haben, inne werden, dass ihre irdischen
Leiden zu ihrem Glücke waren; denn sie sind dadurch der
Seelenpein im Jenseits enthoben, die unter Umständen sehr
lange, ja zuweilen tausend Jahre andauern, bevor die Seele
zum richtigen Gottesbewusstsein kommt.
Alle aber, ohne Ausnahme, müssen mit der Versuchung
kämpfen; ein negativ Gutes giebt es nicht. Ein Mensch,
der nicht stiehlt, weil er Alles zum Leben Nöthige und
mehr besitzt, hat nicht immer die Ehrlichkeit im Herzen;
denn in einer schwachen Stunde sind solche Menschen oft
die ersten, die der geringsten Versuchung Folge leisten.
Gar viele stehen im Leben hoch und angesehen da und
gelten für ehrlich; — im Innern aber sind sie die grössten
*) Das wäre ja die alte Reincarnationstheorie in neuer Auflage.
Die Red.
PiycMsohe Studien. Februar 1882. 6
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