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128 Psychische Studien. IX. Jahrg. S. Heft* (März 1882.)
der Blinde von der Farbe, oder wie die Herren Wiener
Aerzte und übrigen Naturforscher vom Hypnotismus,
ehe sie Hansen''s Erscheinungen genau geprüft hatten. Wer
sie prüft, hat eben die Pflicht, sie als natürlich psychologisch
oder physiologisch erst wirklich nachzuweisen und nicht bloss
vorauszusetzen. Dieser Pflicht haben sich die Herren Physiologen
und Psychologen bis jetzt wohlweislich entzogen
bis auf wenige Ausnahmen. Wir kennen von ihnen noch
keine solche natürliche Aufklärung der modernen hypnotischen
Erscheinungen nach dem bisherigen Maaszstabe unseres
anthropologischen Wissens, sonst hätte man sie ja nicht
von wissenschaftlicher und ärztlicher Seite aus so hartnäckig
bestritten. Was vom Hypnotismus, gilt noch unendlich
mehr vom Mediumismus.
Wenn der Herr Professor sich aber auf den wahren
Unsterblichkeitsglauben, wie ihn unsere (etwa die protestantische
oäec welche?) Religion lehrt, beruft und meint, sie
schliesse alle Geisterseherei aus, so brauchen wir ihn wohl
nicht an Luthers Tintenfleck auf der Wartburg und an
Tetzets Ablasskram und die kirchliche Lehre vom Fegefeuer
zu erinnern, um ihm schlagend zu demonstriren, dass
die streitende mit der leidenden und triumphirenden Kirche
sich von jeher im innigsten Zusammenhange glaubte,
Diese Berufung steht Herrn Fritz Schnitze gar nicht recht
zu Gesicht, oder sieht wie eine pure Sophisterei gegen den
Spiritismus aus. Wo wahrer Unsterblichkeitsglaube ist, da
giebt es auch Visionen oder Geistersehereien vom Berge
Tabor an , wo Moses und Elias dem Heilande selbst mit
seinen Lieblingsjüngern erschienen, bis auf die neueste Zeit
der Revival-Secten herab. Wo diese geistige Gabe verloren
ist, da giebt es sicher auch keine wahre Gläubigkeit mehr.
Wir sollen unseren verklärten Lieben beständig nacheifern
und mit ihnen innigst im Geiste und in der Wahrheit in
Christo verbunden bleiben. Das ist der Begriff der unsichtbaren
Kirche oder Gemeinschaft, welche über Grab und
Tod dieser Erde hoch in alle Himmel hineinragt.
von Herrn Schnitze vorgespiegelten gefährlichen
wissenschaftlichen, praktischen und moralischen Folgen exi-
stiren abermals nur in seiner Phantasie. Kein Weichensteller
und kein Mörder wird sich wirklich auf spiritistische
Geister berufen können, die ihn zu einer ünthat verführt
hätten, weil der echte philosophische Spiritismus und Spiritualismus
die Unabhängigkeit und Freiheit wie Selbst Verantwortlichkeit
des menschlichen Willens im Hinblick auf
böse Geistereinflüsterungen lehrt. Vor dem irdischen Gesetze
und vor der Wissenschaft bleibt es sich gleich, ob
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