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134 Psychische Studien. IX. Jahrg. 3. Heft. (März 1882.)
delhaften Blödsinn der angeblichen Somnambule im benachbarten
Konradsdorf von Polizeiwegen nichts thun
lassen? Es überschreitet doch alle Grenzen des Anstandes
und der Vernunft, wie toll und unüberlegt das sechzehnjährige
Mädchen handelt, die entweder eine abgefeimte Betrügerin
ist, oder sich zu einem skandalösen Betrug herbei-
lässt. Man lacht und spottet über die Wallfahrt nach
Lourdes, aber die Wallfahrt nach Konradsdorf ist eine weit
lächerlichere Thorheit, und man sollte sich doch wohl in
unserer Zeit schämen, einer albernen Dirne nachzulaufen,
wäre es auch nur aus Neugier. Die Polizei hat unbedingt
die Verpflichtung, diesem allem wahren Glauben hohnsprechenden
Gebahren, diesem Missbrauch des Namens Gottes
ein Ende zu machen, und ich bitte Sie ergebenste mein Lrr-
theil bekannt zu geben und dem bodenlosen CJnsinn in
unserer Nähe zu steuern." — Die Rednction des gennnnten
Blattes bemerkt hierzu: „Wir können dem Einsender mittheilen
, dass dem Vernehmen nach die behördlichen Erörterungen
bereits im Gange sind und dem Unfug wohl ein
schnelles Ende bereiten werden." —
Wir vermuthen eine recht orthodoxe Feder hinter obigem
Bericht, welche die Behörden, statt zur ruhigen Beobachtung,
vielmehr zur gewaltsamen Unterdrückung des ihr missliebigen
Falles auffordert. Wie in aller Welt soll da die Polizei
helfen, somnambulische Erscheinungen aus der Wirklichkeit
zu schaffen? Es wäre doch weit besser, durch in solchen
Beobachtungen bewanderte Physiologen und Psychologen
das Publikum über dergleichen Vorgänge aufzuklären und
es zu belehren, welches wissenschaftliche, philosophische und
religiöse Kriterium denn eigentlich anzuwenden sei, bei dergleichen
Erscheinungen das Echte vom bloss Eingebildeten
zu unterscheiden. Der Berichterstatter scheint absolut nichts
vom Somnambulismus zu verstehen, sonst würde er das Mädchen
nicht von vornherein für eine abgefeimte Betrügerin
oder Blödsinnige erklären. Wir kommen dabei auf die Notwendigkeit
einer stets scharfen Unterscheidung seltsamer
objectiver Thatsachen und Erscheinungsbewegungen und
subjectiver psychischer Mittheilungen eines solchen im Trance
befindlichen Mediums zurück, welches durch magisches Gedankenlesen
wahre hellsehende und prophetische Aussprüche
mit anerzogenen oder selbstgebildeten innersten Meinungen
über ihr Verhältniss zu Welt und Gott verbindet. Könnte
sie nicht auch noch unbekannte Wahrheiten lehren? Wo
bleibt da die lächerliche Thorheit und der bodenlose Unsinn
an der Sache, da wir doch täglich die Meinungen Anderer
hören und sie ebenfalls am Maaszstabe unserer Ver-
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