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156 Psychische Studien. IX. Jahrg. 4. Heft. (April 18820
bracht, worauf das Medium Platz nahm. Das Zimmer
wurde nur matt beleuchtet, und wir nahmen einen halben
Meter vom Vorhang auf Stühlen Platz. Doch kaum hatten
wir uns gesetzt, so hörte man im Kabinet ein eigentümliches
Knistern. Der Vorhang wurde von einer Seite gelüftet
, und ein wundervoller, erhabener Anblick bot sich
dem Auge dar. Eine graue "Wolke erfüllte das Cabinet,
und in derselben glitzerten unzähliche Flämmchen; das
Medium war ganz in diese Wolke eingehüllt, der Vorhang
ging wieder zu, und gleich darauf entstand ein leises
Flüstern von einer Kinderstimme im Kabinec.; die Stimme
kam nahe an den Vorhang heran, und die kleine Abila
führte sich mit den Worten ein: „Ich bin da!" Das liebliche
Geschöpf wurde von allen Anwesenden begrüsst, und
nun begann mit derselben eine lebhafte Conversation. Sie
hatte für Jeden ein gar liebes Wort; doch erwies sich
das kleine Wesen an diesem Abende etwas indiscret, indem
es einem anwesenden Doktor ein Geheimniss ausplauderte,
was derselbe sicher lieber allein gehört hätte. Dieser Herr
war ganz erstaunt, woher der kleine Geist das wusste, was
nie über seine Lippen gekommen war und, wie er versichert,
nur er allein wissen konnte*).
Als sie eine ganze Weile geplaudert, sagte sie: „Ich
muss nun fort, meine grossen Geschwister kommen." Nach
einer Minute öffnet sich der Vorhang, und ein grosser,
starker, männlicher Geist in weissem Gewände tritt einige
Schritte heraus, dicht an mich heran. Ich bat denselben,
mir seine Hond zu geben, und kräftig schüttelt er die
meine, und ich fühlte eine ganz warme, ausgebildete, grosse
Männerhand; derselbe sprach nicht, gab aber durch Klopfen
zu erkennen, dass es der Geist Gilbert sei.
Darauf kam die kleine Abila wieder, welche uns versprach
, mit uns Guck guck! zu machen, da sie nicht die
Mission habe, sich persönlich zu zeigen **). Dieselbe beant-
*) Eben, weil er es wusste und in sympathetischem oder magnetischem
Kapport mit dem Medium, resp. dessen Materialisation stand,
wurde sein Geheimniss durch Gedankenlesen ausgeplaudert. —
Die Red.
**) Abila ist die Repräsentation der hellsehenden und hellwissenden
Gabe des Mediums, welcher das Organ des Sprechens vorwaltend zugeeignet
ist, während die übrigen Gestalten darum weniger oder gar
nicht sprechen, sont'ern mehr andere Funktionen verrichten. Wir betrachten
alle diese Gestalten als aus einer und derselben unbewussten
magischen Kraftquelle des Mediums hervorflies^end und sich plastisch
darstellend, wie ja unsere inneren Geistesvorstellungen sich ebenso im
Wachen wie im Traumleben spalten (urtheilen) und personiticiren
können, — Pie Red.
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