http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1882/0186
178 Psychische Studien. IX. Jahrg. 4. Heft. (April 1882.)
jectiven transcendenten Geistern, an deren Existenz Schreiber
doch theoretisch nicht weniger fest glaubt als alle übrigen
Geistergläubigen unserer Tage, (welche nur leider überall
und in allen mediumistischen Erscheinungen schon sofort
wirkliche Geister selbst sehen, ohne dieselben stets gründlichst
geprüft zu haben,) genau zu unterscheiden vermöchten.
Das ist eine harte Nuss zu knacken! Unsere deutsche
Philosophie und Psychologie hat diese Aufgabe noch nicht
in Angriff genommen. Vorläufig können wir nur unsere
Geistergläubigen warnen, sich vor argen Selbsttäuschungen
zu hüten und nicht Alles sogleich für baare Geistermünze hinzunehmen
, was sich dafür ausgiebt. In den mediumistischen
Erscheinungen selbst braucht deshalb keinerlei
absichtlicher Betrug obzuwalten. Wir haben es
in ihnen mit seltsamen subjectiven Nerven- und Seelen-
zuständen unserer magnetisirten Medien zu tkun*). Dass
bei ihnen ganz fremdartige Zustände der Sinneswahr-
nehmungen und selbst wundersame und intelligente Sinnes-
ausserungen vorkommen, darf uns eben so wenig frappiren,
als wenn wir täglich Andere unseres Gleichen Gedanken,
Fertigkeiten und Künste produciren sehen, die wir nicht
sofort selbst nachzuahmen oder zu begreifen im Stande
sind. Wir nehmen dafür doch auch keine transcendenten
(jenseitigen) Geister als Ursache an. Bleiben wir bei
scharfer Beobachtung und Vergleichung unserer Medien
vorläufig auf dem Standpunkte rein psychischer Beobachtung
unseres und ihres Seelenlebens, und veisuchen wir von hier
aus Schritt iür Schritt die seltsamen Phänomene als solche
unserer geistigen Natur zu begreifen, welche uns noch hie-
nieden zugänglich ist. Unsere Psyche enthält weit mehr
Gaben und Kräfte, als unser beschränktes Tagesbewusstsein
augenblicklich davon weiss. Wir wissen noch das Wenigste
von uns selbst. Nur die allerseltensten Fälle dürften uns
für wirklich transcendente Zustände übrig — dann aber
immer noch problematisch bleiben, weil wir ja das eigentliche
Leistungsvermögen eines wirklich jenseitigen Geistes
durchaus noch nicht sicher aus praktischer Erfahrung
kennen, sondern solches nur als vermuthlich voraussetzen.
Die theoretische Möglichkeit müssen wir uns allerdings
*) Wir erinnern hier an „Geistige Erscheinungen lebender Menschen
" im November-Heft 1880 der „Psych. Studien." — „Fernwirken
im Schlafe. Eine in London schlafende Person wird in Paris photo-
graphirt." Yon M. A. Oxon. „Psych. Stud." 1875, S. 205 ff. In diesen
Fällen ist notorisch keine Einwirkung jenseitiger Geister wirksam.
Sind dergleichen Thatsachen möglich, so ist auch unsere Psyche noch
andere analoge Wunder zu wirken fähig.
http://dl.ub.uni-freiburg.de/diglit/psychische_studien1882/0186